Herne. . Der gerade in Kraft getretene Mindestlohn bringt offenbar die Taxibranche in Bedrängnis. Bernd Bußmann spricht von „staatlich verordneter Insolvenz“.
Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn ist seit wenigen Tagen in Kraft - und sorgt im Taxigewerbe für erhebliche Sorgen um die Existenz. Bernd Bußmann, Inhaber des nach eigenen Angaben größten Unternehmens der Branche in Herne, spricht von „staatlich verordneter Insolvenz“.
Bußmann beschäftigt rund 50 Fahrer - fest angestellte und Aushilfen - auf insgesamt elf Fahrzeugen. Zurzeit fahre er jeden Tag einen Verlust ein, behauptet er im Gespräch mit der WAZ-Redaktion.
Zwar habe der Rat vor wenigen Wochen eine Tariferhöhung beschlossen - die Grundgebühr kostet jetzt 3,20 Euro, jeder gefahrene Kilometer schlägt mit 1,80 Euro zu Buche. Doch diese Erhöhung, die ab 20. Januar wirksam wird, könne nicht die Kostensteigerung auffangen, die die Einführung des Mindestlohns mit sich bringe. Bußmann: „Die Erhöhung liegt bei etwa zwölf Prozent, eigentlich hätten es 20 Prozent sein müssen.“
Die Stadt, weist darauf hin, dass die Tariferhöhung so beantragt worden sei. „Das, was die Stadt tun konnte vor dem Hintergrund des Stundenlohns, hat sie mit der Anpassung getan“, so Stadtsprecher Christian Matzko. Vor etwa eineinhalb Jahren seien die Tarife wegen der hohen Spritpreise schon einmal angehoben worden.
Problem der Betriebspflicht
Bußmann verdient neben den reinen Taxifahrten auch mit Kranken-, Kurier- und Laborfahrten Geld, doch auch diese Einnahmen reichten nicht aus, um die Kostensteigerungen auszugleichen.
Was nicht in Frage komme: Dass sich das Unternehmen auf attraktive Tage oder Stunden beschränkt, zum Beispiel Wochenenden. Der Grund: Für die Unternehmen besteht eine sogenannte Betriebspflicht. Das heißt, die Fahrzeuge müssen auch zu Zeiten bereit stehen, wenn die Nachfrage gleich Null ist. Der Lohn muss in dieser Zeit trotzdem gezahlt werden. Auch die Möglichkeit, eine gewisse Anzahl von Wagen in der Garage stehen zu lassen, scheidet nach Bußmann Worten aus. Denn dann drohe der Entzug der Konzession. Die ist in Herne offenbar nach wie vor begehrt. 69 Taxikonzessionen sind vergeben, so die Stadt. Darüber hinaus gebe es 13 Anfragen von Unternehmen, die bereits in Herne fahren, sowie fünf Anfragen von Neubewerbern.
Was Bußmann zusätzlich Kopfzerbrechen bereitet: die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes sowie die umfangreichen Dokumentationspflichten im Zusammenhang mit dem Mindestlohn. Bußmann will sich nicht festlegen, wie lange er unter diesen Umständen weitermachen könne. Vielleicht ein halbes Jahr, er müsse abwarten, wie die Entwicklung ist.
Arbeitsagentur registriert keine vermehrten Entlassungen
Luidger Wolterhoff, Chef der Arbeitsagentur für Bochum und Herne, sieht zurzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass es wegen des Mindestlohns vermehrt Entlassungen gebe. Keine Ausschläge gebe es auch bei den Stellenmeldungen von Unternehmen. „Wir beobachten die Entwicklung sehr genau“, so Wolterhoff.
Dirk W. Erlhöfer, Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände Ruhr/Westfalen, erneuerte im Gespräch mit der WAZ-Redaktion die Einführung des Mindestlohns: So greife der Staat in die Lohnfindung ein, das sei der Anfang der Auflösung der Tarifautonomie. Darüber hinaus überschreite die Bürokratie jedes vernünftige Maß, außerdem bestehe die Gefahr, dass freiwillige Praktika und Förderprogramme zum Erliegen kommen.
Für die Gewerkschaften ist es dagegen wichtig, dass die Firmen den Mindestlohn nun auch zahlen, sie fordern „Mindestlohn-Sonderkontrollen“ durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls.