Herne. . OB Horst Schiereck blickt im Interview zurück auf 2014 und nimmt Stellung zu Themen wie Große Koalition, Problemhaus und die Städtepartnerschaft.
Im September 2015 endet die Amtszeit von Oberbürgermeister Horst Schiereck (SPD) nach knapp elf Jahren Jahren. Im schon traditionellen Interview zum Jahresende stellt sich der 66-Jährige den Fragen der WAZ.
Sie sind in Ihrem letzten Amtsjahr und nehmen bereits jetzt viele Termine zum letzten Mal wahr. Macht sich bei Ihnen schon Wehmut oder Abschiedsstimmung breit?
Horst Schiereck: Nein.
Sie führen heute auch zum letzten Mal in Ihrer Amtszeit mit der WAZ ein Interview zum Jahresabschluss . . .
Das könnte mir die Tränen in die Augen treiben. Das stimmt mich schon jetzt melancholisch. Ich werde Entzugserscheinungen haben (lacht).
Wie bewerten Sie das abgelaufene Jahr 2014?
Es war zumindest insofern erfolgreich, als dass wir den Haushaltsplan für 2015 verabschiedet haben. Wir haben es geschafft, die Enden noch einmal zusammen zu bekommen.
Im politischen Raum gibt es die Theorie, dass der Stadt der Haushalt nach der OB-Wahl aufgrund weiterer Verschlechterungen um die Ohren fliegen wird.
Wie das nächste Jahr sein wird, das hängt von den Rahmenbedingungen von Bund und Land ab. Sie wissen ja, dass wir die Zeche, die Lokalrunden zahlen müssen, die Bund und Land bestellen. Die Rahmenbedingungen werden natürlich nicht besser – es sei denn, die Konjunktur springt noch mal an und wir bekommen vernünftige Wirtschaftsdaten.
Was war denn für Sie das bedeutendste Ereignis des Jahres 2014?
Dass Deutschland Weltmeister geworden ist. Im Ernst: Das bedeutendste Ereignis war wie immer die Cranger Kirmes. Nicht zu vergessen ist natürlich die Kommunalwahl. Negativ ist vor allem Ela zu nennen.
Gibt es ein Ereignis in Herne, über das Sie sich besonders gefreut haben?
Dass wir den Haushalt hinbekommen haben. Und dass wir nach der Kommunalwahl stabile Verhältnisse im Rat mit einer breiten Mehrheit haben.
Haben Sie sich besonders geärgert über ein Ereignis?
So leicht bin ich nicht zu ärgern.
Auch nicht durch die Schändungen des Shoah-Mahnmals auf dem Willi-Pohlmann-Platz?
Darüber habe ich mich nicht geärgert, sondern war tief bestürzt. Wir haben offenbar eine rechte Bewegung oder rechte Kräfte, die diese Anschläge auf das Shoah-Mahnmal verübt haben. Das hat es in den vergangenen Jahren nicht gegeben.
Zeichnet sich schon eine Lösung ab, wie man das Mahnmal dauerhaft schützen kann?
Nein. Das Problem ist, dass es keinen absoluten Schutz gibt, wenn man das Mahnmal in der jetzigen Form dort belässt. Es gibt gute Vorschläge, die aber nicht umzusetzen sind – es sei denn, man verändert den Standort oder das Mahnmal. Ich will Ihnen ein Beispiel geben: Es gab einen Vorschlag, das Mahnmal in die Akademie Mont-Cenis zu versetzen. Dann würde man es wieder einhausen. Das wäre aber angesichts der Ursprungsgeschichte ein Problem. Wir wollen das Mahnmal und die Erinnerung mitten in der Stadt haben. Eine Videoüberwachung wäre schwierig – nicht nur aus juristischer Sicht. Die Experten sagen, dass ein Vermummter auch auf einem Video nicht zu erkennen wäre.
Vor wenigen Tagen gab es die Hiobsbotschaft, dass die RAG nach Essen umziehen wird. Wie sehen Sie denn die Chancen, das Technische Rathaus der Stadt am bisherigen RAG-Bürostandort Shamrockring anzusiedeln?
Der jetzige Verhandlungsführer des Eigentümers ist etwas merkwürdig, um es freundlich zu sagen. Der verstorbene Verhandlungsführer war wesentlich realistischer. Ich kann mir aber vorstellen, dass wir letztlich zu einer vernünftigen Einigung kommen und am Shamrockring viele Dienststellen konzentrieren können.
Stichwort: Hertie-Haus.
Wenn es so weiter geht, sind wir zufrieden mit der Entwicklung. Man muss abwarten, ob der Denkmalschutz aus technisch-statischen Gründen zu erhalten ist. Hier müssen wir pragmatisch rangehen. Zunächst war es mal wichtig, dass wir in den Besitz der Immobilie gekommen sind.
Gibt es etwas, was Sie bis zum Ende Ihrer Amtszeit gerne noch erreichen würden oder was Sie gerne umgesetzt hätten?
Dass Helene Fischer zur Eröffnung der Cranger Kirmes kommt …
Gibt es Pläne für die Zeit nach September 2015?
Alle haben mir geraten: Mach keine Pläne, das ist nicht gut.
Schwierige Partnerschaft mit Hénin-Beaumont
Die Wahl eines Front-National-Bürgermeisters in der Partnerstadt Hénin-Beaumont hat auch in Herne Wellen geschlagen. Gibt es eine neue Entwicklung?
Nein.
Sie müssten zu Beginn des Jahres 2015 turnusgemäß nach Hénin-Beaumont fahren. Gibt es hier etwas Neues?
Nein. Jeder muss sich darüber im Klaren sein: Wenn es keine offiziellen Kontakte gibt, wird es auch keine Kontakte auf anderen Ebenen mehr geben, weil Hénin-Beaumont ganz anders organisiert ist als wir. Dort gibt es beispielsweise keinen Partnerschaftsverein. Darüber muss man sich im Klaren sein.
Das heißt?
Wenn es keine offizielle Vereinbarung zwischen den Städten gibt, wird es auch keine Treffen von Verein, Künstlerverbänden, Schulen und anderen Gruppen geben.
Wer lädt denn wen ein?
Aktuell würde mich mein französischer Kollege einladen. Zurzeit kommt von dort aber nichts.
Ist das nicht bedauerlich?
Das sehe ich erst einmal gelassen.
Steht angesichts dieser Situation aber nicht die gesamte Städtepartnerschaft mit all den Besuchen und Kontakten auf dem Spiel?
Sie wissen doch, was im Rat dazu gesagt worden ist. Bei dieser Angelegenheit hat der Rat das letzte Wort.
Kein Kommentar zum fünften Dezernat
Seit Juni gibt es in Herne eine rot-schwarze Mehrheit im Rat. Wie kommen Sie damit klar?
Sehr gut. Das heißt nicht, dass ich früher unter Rot-Grün mit den Grünen nicht klar gekommen bin. Es gibt aber nun eine sehr komfortable Mehrheit. Das ist vor allem bei schwierigen Entscheidungen von Vorteil.
SPD und CDU haben vereinbart, in Herne ein fünftes Dezernat zu schaffen. Sind Sie aufgrund Ihrer bisherigen Erfahrungen der Meinung, dass die Stadt unbedingt ein fünftes Dezernat braucht?
Das ist eine Entscheidung des Rates. Das werde ich nicht kommentieren.
Der Rat beziehungsweise Rot-Schwarz hat auch entschieden, zur Finanzierung des neuen Dezernats die Spitze im bisherigen Fachbereich Umwelt komplett abzuschaffen. Wie wollen Sie das organisieren?
Ich kann auf ganz alte Unterlagen zurückgreifen, die für den letzten Oberstadtdirektor Dr. Kirchhof und seinen Vorgänger erstellt worden sind. In einem Papier wird Umweltschutz als gebündelte Aufgabe definiert, in dem anderen als Querschnittsaufgabe. Es ist also alles vorhanden.
Papier ist geduldig. Glauben Sie, dass diese alten Konzepte in der Praxis in diesem komplexen Bereich so einfach umzusetzen sind?
Es war früher umsetzbar, warum soll das heute anders sein? Außerdem gibt es schon jetzt viele Bereiche, die mit dem Umweltschutz befasst sind, aber nicht zum Fachbereich gehören. Zum Beispiel Abwasser und Entsorgung.
Aus der SPD ist immer häufiger zu hören, dass sich Ihr Verhältnis zu Ihrer Partei und insbesondere zum Fraktions-Vorsitzenden Frank Dudda abgekühlt hat. Würden Sie das unterschreiben?
Ich bin einer derjenigen, der besonders lang in der SPD ist. Bei mir ist nichts abgekühlt. Die SPD ist immer noch meine ganz heiße Liebe.
Sieht die SPD das ebenso? Liebe und Partnerschaft beruhen ja auf Gegenseitigkeit?
Das weiß ich nicht. Sie wissen doch: Es gibt nicht die SPD. Die SPD ist die Summe ihrer Mitglieder.
Und Ihr Verhältnis zu Frank Dudda hat sich auch nicht abgekühlt?
Nein, warum sollte das so sein? Dass man vor der Verabschiedung eines Haushalts auch mal unterschiedlicher Ansicht ist, ist doch ganz klar.
Horsthauser Straße: „Ein Nachbarschaftsstreit“
In der Diskussion über das Problemhaus an der Horsthauser Straße sind von Anwohnern auch in Ihre Richtung Vorwürfe erhoben worden. Die Bürger fühlten sich alleine gelassen. Was sagen Sie dazu?
Zunächst muss man mal wissen: Aus juristischer Sicht ist das Privatsache, ein Nachbarschaftsstreit.
Ich weiß nicht, ob man als Stadt hier rein juristisch argumentieren kann.
Eigentlich müssten wir dafür belangt werden, dass wir als Stadt hier Geld ausgegeben haben. Es ist die Frage, ob das kommunalverfassungsrechtlich korrekt war. Die Bürgerinnen und Bürger kann ich allerdings gut verstehen.
Sie bleiben also dabei, dass Sie aus juristischen Gründen keinen anderen Weg hätten einschlagen können?
Welchen Weg hätten Sie denn vorgeschlagen? Wenn ich Nachbar gewesen wäre, hätte ich frühzeitig und konsequent meine Nachbarschaftsrechte geltend gemacht. Da frage ich nicht erst die Stadt.