Herne. . Der Rentner Gerd Müller arbeitet ehrenamtlich im Asylbewerberheim am Zechenringund wünscht sich eine bessere Willkommenskultur in Deutschland.

Gerd Müller könnte ewig von seiner Arbeit im Übergangsheim für Flüchtlinge am Zechenring erzählen - so vielen Menschen ist er begegnet, so viele Schicksalschläge hat er miterlebt. Seit sieben Jahren gibt er Deutschkurse für Erwachsene und bietet Bastelstunden für Kinder an. Sein Anliegen: Er möchte Solidarität zeigen mit jenen, die auf oft schwierigen Wegen nach Deutschland kamen und die schon viel Schlimmes erlebt haben.

Als Gerd Müller vor acht Jahren in Rente ging, befand er: „Ich habe so viel Glück gehabt in meinem Leben, dass ich der Gesellschaft etwas zurück geben möchte.“ Zuvor hatte er 16 Jahre lang in technischen Berufen, danach als Sozialarbeiter mit Senioren gearbeitet. Nun suchte er eine Möglichkeit, mit Kindern zu arbeiten, entschied sich für den Zechenring, unterstützte fortan die Ehrenamtlerinnen Rita Serafin und Sylvia Chittka. Er bietet Sprachkurse und Bastelstunden an.

Die Aktivitäten mit den Kindern machen ihm Spaß. Aber: „Nach der Flüchtlingswelle letzten Sommer ging erst mal gar nichts mehr“, erinnert er sich. Die Kinder mussten sich in Geduld üben. Die Sprachkurse liefen weiter.

Lernen mit Klebezetteln

Als „intuitiv“ beschreibt Müller seinen Unterrichtsstil. Praxisnah statt grammatiklastig, stets an den Bedürfnissen der Flüchtlinge orientiert. „Wir beschriften Körperteile und Alltagsgegenstände mit Klebezetteln“, erzählt er, „oder wir machen einen Spaziergang und bezeichnen das, was wir sehen.“ Wichtig sei außerdem: das notwendige Vokabular für Einkäufe und Arztbesuche. Eine besondere Herausforderung, so Müller, seien die unterschiedlichen Fähigkeiten der Flüchtlinge. Vom eifrigen Jurastudenten bis zum analphabetischen Bauern reiche das Spektrum seiner Schüler.

Trotzdem fällt Müller die Arbeit leicht, betont er. „Ich versuche einfach, mich in die Situation der Menschen hineinzuversetzen, sie zu verstehen“, erklärt er - das hilft. Viele Einzelschicksale gingen ihm nahe - „das geht gar nicht anders“, macht er deutlich. Man lerne aber damit umzugehen. Ein Ansatz: Außerhalb der Unterrichtsstunden besucht er die Flüchtlinge nicht in ihren Wohnungen. Er weiß nämlich: „Alle würden mich so herzlich willkommen heißen, dass ich gar nicht mehr wegkommen würde.“ So sehr Müller sein Ehrenamt liebt - ein Privatleben habe er schließlich auch noch.

Sein Wunsch für das neue Jahr und die Zukunft: „Ich wünsche mir eine Willkommenskultur in Deutschland.“ Den Argwohn vieler Bürger gegenüber den Flüchtlingen kann er nicht nachvollziehen: „Unsere alternde Gesellschaft braucht junge Menschen - und ein besseres Verständnis dafür, wie schwierig das Leben für viele der Flüchtlinge ist.“