Herne. . Die Schlaflabor-Praxis von Josef Wiemann in der Haranni-Clinic steht möglicherweise vor dem Aus. Der Grund: Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe fordert von Wiemann mehr als eine halbe Million Euro Honorar-Rückzahlung mit der Begründung, dass er seine Leistungen falsch abgerechnet habe.
Die Schlaflabor-Praxis von Josef Wiemann in der Haranni-Clinic steht möglicherweise vor dem Aus. Der Grund: Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) fordert von Wiemann mehr als eine halbe Million Euro Honorar-Rückzahlung mit der Begründung, dass er seine Leistungen falsch abgerechnet habe. Für Wiemann würde dies bedeuten, dass die Praxis nicht mehr aus den Schulden käme. „Ich fühle mich maximal ungerecht behandelt“, betonte Wiemann im Gespräch mit der WAZ.
Den ersten Tiefschlag musste Wiemann bereits 2010 wegstecken. Damals deckelte die KVWL die Honorare für Schlaflabore bei niedergelassenen Ärzten. Resultat für Wiemann: Einbußen von etwa 40 Prozent. „Diese Kürzungen konnte ich noch so eben kompensieren. Ich habe kostendeckend gearbeitet, einen Verdienst hatte ich allerdings nicht mehr.“
Da aber auch die Patienten quasi Schlange stehen - wer in der vergangenen Woche einen Termin vereinbarte, muss sich bis Mai 2015 gedulden -, arbeitete Wiemann mehr als er es nach der Deckelung durfte. Gegen die Abrechnungspraxis legte er jedes Quartal Einspruch ein. Doch diese blieben jahrelang unbeantwortet. Schließlich sei es ihm zu bunt geworden, deshalb habe er die KVWL darauf hingewiesen, dass er möglicherweise wegen Untätigkeit juristische Schritte einleiten werde.
Disziplinarausschuss tagt heute
Die Reaktion der KVWL sei ein Schock gewesen: Sie konfrontierte Wiemann im Juni mit Rückforderungen in Höhe von 524 000 Euro. Zahlbar sofort. Wiemann zeige ein „auffälliges Leistungsverhalten“. Übersetzt: Wiemann rechne zu viel ab. Bei näherer Betrachtung sei dies erklärbar: Die KVWL setze für die Auswertung von Protokollen etwa eine halbe Stunde an, er schaffe es aber, mit Hilfe einer computergestützten Analyse, in etwa zehn Minuten, so Wiemann. Um nachzuweisen, dass er die angegebenen Arbeitszeiten in der Praxis tatsächlich verbracht habe, habe er sich eine Zeiterfassung angeschafft.
Was Wiemann ärgert: Jahrelang habe die KVWL ihn nicht auf seine langen Arbeitszeiten hingewiesen, nun stelle sie plötzlich die Rückforderungen. Diese bedeute für ihn im Klartext: Er macht seine Überstunden nicht nur umsonst, er muss sie sogar selbst bezahlen. Noch etwas erstaunt ihn: Wenn die KVWL ihm Abrechnungsbetrug unterstelle, warum habe sie nicht die Staatsanwaltschaft eingeschaltet?
Wiemann hat inzwischen eine Vielzahl an Unterlagen an die KVWL zur Überprüfung geschickt, doch diese Prüfung sei bislang nicht geschehen. Heute tritt Wiemann vor dem Disziplinarausschuss der KVWL auf, um sich zu erklären. Ausgang ungewiss.
Ebenso wie die Zukunft der Praxis. Auch wenn das Wartezimmer voll ist, die Lage sei prekär. Er selbst sei im Oktober zahlungsunfähig gewesen, seine Mitarbeiterinnen hätten kein Gehalt bekommen. Die ersten hätten inzwischen gekündigt.
Kassenärztliche Vereinigung weist auf gesetzliche Pflicht zur Prüfung hin
Die KVWL weist auf Anfrage der WAZ darauf hin, dass sie gesetzlich verpflichtet ist, die Abrechnungen ihrer Mitglieder in Hinblick auf den Zeitaufwand zu prüfen.
Bei den Zeitgrenzen seien unter anderem privatärztliche Leistungen, Gutachten, Verwaltungsaufgaben, Mitarbeitergespräche, Pausen nicht berücksichtigt. Die Zeitgrenzen seien so großzügig bemessen, dass selbst Praxen mit durchrationalisierten Arbeitsabläufen, hohem Personalbestand sowie auch die besonderem Erfahrung, Routine etc. des Praxisinhabers angemessen erfasst sind. Wenn der Vertragsarzt dann keinen Nachweis erbringe, wie er seine abgerechneten Leistungen plausibel erbracht haben kann, wird seine Abrechnung „implausibel“. Die Kriterien hat der genannte Vertragsarzt deutlich überschritten, so dass die KVWL gesetzlich verpflichtet war, ein Plausibilitätsverfahren einzuleiten.
Wie die Verfahren ausgehen werden, sei offen. Wiemann habe erst kürzlich wichtige Unterlagen vorgelegt, deren Auswertung andauere.