Herne. . Seit seinem 29. Lebensjahr lebt Rafael Häusler mit üblen Kopfschmerzattacken. Sein Leiden beschreibt er in einem Buch. Die Arbeit als Autor hat ihm geholfen, sich mit der Krankheit zu arrangieren.

„Hinfallen ist erlaubt, liegenbleiben nicht.“ – Rafael Häusler hat sich diesen Spruch als Lebensmaxime ausgesucht. Nicht aus einer lustigen Laune heraus, sondern ganz, ganz ernsthaft. Der heute 44-Jährige lebt seit seinem 29. Lebensjahr mit einer extremen Form von Kopfschmerzen, dem Clusterkopfschmerz. Er hat in den Jahren gelernt, mit seiner Krankheit umzugehen und über diesen immer noch andauernden Kampf ein Buch geschrieben: „Schmerz frisst Seele.“

Mit Kopfschmerzen musste der gebürtige Recklinghäuser, der seit Jahren in Börnig wohnt, schon immer leben. Doch irgendwann „war es eine neue Qualität, wurden die Schmerzen deutlich intensiver“. Das geschah ganz plötzlich und unerwartet. „Anfangs starteten die Attacken nachts, dann ging es in den Tag ‘rein.“ Häusler stellte sich die Frage nach dem Warum?. Doch er fand keinen Zusammenhang.

Ohne Medikamente geht nichts

„Nein, sie waren da und störten.“ Und wie. Als einseitiger Schmerz. Direkt hinter dem rechten Auge. Immer und immer wieder. Ein Schmerz, der sich nicht bewegt. Einfach da ist. „Es ist wie ein glühendes Messer im Auge.“ 15 bis 180 Minuten lang können diese Phasen dauern, in denen der Clusterkopfschmerz Häusler quasi in den Wahnsinn treibt. Nicht umsonst heißt dieser Schmerz in englischsprachigen Ländern auch „Suicide-Desease“, also Selbstmordkrankheit. „Man ist nah an der Reserve. Es kann vieles geschehen“, sagt Häusler und ergänzt: „Da sind Menschen schon aus dem Fenster gesprungen.“ Auch wenn er momentan schmerzfrei ist, gilt doch immer die Aufpass-Devise: „Ich weiß nie, wie es mir in 15 Minuten geht.“

Für den 44-Jährigen begann vor Jahren eine Ärzte-Odyssee, zumal die Schmerzen bei ihm nur periodisch auftreten. Ein Vorführeffekt war also garantiert und verzögerte die Behandlung. „Ohne spezielle Medikamente geht es gar nicht.“ Die trägt er für den Fall der Fälle immer bei sich. Das sind subkutane Spritzen und ein spezielles Nasenspray. „Es ist ganz wichtig, dass es schnell geht.“ Zu Hause hat er zudem eine Sauerstoffflasche, „das Einatmen verschafft Linderung“.

So stabil es ihm seit ein paar Monaten geht, so schlimm waren die heftigen Krankheitsjahre. „Arbeit in der IT-Branche weg, Partnerschaft weg, Geld weg.“ Die Schmerzen krempelten sein Leben um, hatte er doch in der Hochphase 18 Wochen lang keine Nacht mehr durchgeschlafen. „Da war ich am Bodensatz angekommen.“ Mühsam, mit Hilfe von Medikamenten und dem Schreiben seines Buchs, kam er wieder auf die Beine, schrammte haarscharf an bitteren Konsequenzen vorbei.

Sinnvolle Therapien sorgten dafür, dass er mit der Krankheit umgehen konnte. Das aber funktioniert nur, weil er lernte, sich mit der Krankheit zu arrangieren. Jetzt hat er das Gefühl, das Beste aus den Jahren mit der Krankheit gemacht zu haben. Häusler, der mittlerweile wieder einem Job in einer sozialen Einrichtung nachgeht, wo er „für alles mit Stecker“ zuständig ist, also Computer: „Ich backe kleine Brötchen, aber ich backe sie selber.“

Eigentlich war Schreiben in seiner Jugend und Schulzeit überhaupt nicht sein Ding, sagt Rafael Häusler. Doch das sollte sich ändern – durch die Krankheit. Das Tosen im Schädel wurde lebensbestimmend und zuhören wollte ihm eigentlich keiner. „Also wollte ich meinen Zustand in die Welt hinausschreien, schließlich schien mir ja keiner zu helfen.“ Beim Schreiben – 2009 hat er begonnen, war nach drei Jahren damit durch – änderte sich vieles.

Während des harten Erinnerungsprozesses, der durchaus weh tat – „Mir wurde klar, dass die Krankheit nicht heilbar ist.“ –, verschob sich einiges. Er nahm therapeutische Hilfen in Anspruch, die schmerzfreien Episoden wurden länger. So wurde das Buch keineswegs nur ein einziger Hilfeschrei, aber eben auch kein reiner Ratgeber. Vielmehr schildert er seinen Weg, „und der hat eine positive Wendung genommen“. Das Schreiben war nicht einfach, Häusler musste viel von sich preisgeben. Die Reaktionen sind positiv. „Ich habe mit dem Buch die Hosen runtergelassen, bis heute aber kein böses Wort dazu gehört.“ Das Schreiben hat ihm sehr geholfen, mit der Krankheit umzugehen, auch wenn er für immer Einbußen hat. Für ihn gilt: „Das Leben ist wieder lebenswert geworden.“

Häusler ist in der Selbsthilfearbeit tätig, präsentierte sein Buch zusammen mit einem Arzt an der Uni Bochum bei einer Vortragsveranstaltung. Zudem erhält der 49-Jährige, der zu 80 Prozent schwerbehindert ist, regelmäßig ein Echo von Betroffenen, die wie er unter Clusterkopfschmerzen leiden. „Am Anfang suchte ich Hilfe, jetzt sitze ich auf der anderen Seite des Tisches.“

„Schmerz frisst Seele“ ist ein Buch über das Krankheitsbild des Clusterkopfschmerz und zugleich die Lebensgeschichte des Autors Rafael Häusler.

Das Buch (134 Seiten) ist im September 2013 im Pomaska-Brand Verlag erschienen und inzwischen in erweiterter Auflage erhältlich (ISBN 978-3-943304-22-0). Bestellt werden kann es direkt beim Verlag, bei Amazon, buch7 und im örtlichen Buchhandel. Rafael Häusler ist auf Facebook vertreten und per E-Mail zu erreichen: rafael@schmerzfrisstseele.de