Heiligenhaus. . Es bedarf manchmal kleiner Tricks, um die Bewohner eines Lebenshilfe-Wohnheims im Notfall zu evakuieren. Wer nicht gleich mit möchte, wird in Heiligenhaus dann schon mal mit einer leckeren Grillwurst, die draußen wartet, gelockt. Mit Erfolg: Bei den Übungen mit der Feuerwehr werden Ängste ab- und Vertrauen aufgebaut.
Es ist der Fall der Fälle, der niemals eintreten möge, auf den es sich aber doch vorzubereiten gilt. Dass einige Bewohner des Lebenshilfe-Wohnheims sich beim Fernsehen vielleicht nicht so leicht von der Flimmerkiste weglotsen lassen, wenn es im Haus brennt, ist ein realistisches Szenario. Wie die Feuerwehr an der Abtskücher Straße aber die Menschen mit geistigen Behinderungen vor den Flammen retten kann, weiß sie ganz genau. „Wenn man ihnen sagt, dass es draußen Würstchen gibt, gehen sie auch sogleich mit den Rettungskräften“, erklärt Heimleiter Jörg Dornieden. Was sich nach einem simplen Trick anhört, bedarf aber doch einigen Trainings.
Denn der Hinweis auf gegrillte Würstchen ist das Resultat der gemeinsamen Rettungsübungen mit der Freiwilligen Feuerwehr. So rieben sich bestimmt auch am Freitag einige Passanten die Augen, als sie das Löschfahrzeug mit Blaulicht vor dem Haus sahen. Simuliert wurde die Evakuierung der Bewohner – was in einem großen Gebäude schon schwierig ist, bei einem Wohnheim für geistig Behinderte aber noch viel mehr. Dennoch sagt Dornieden zufrieden: „Es wird immer routinierter, viele Ängste sind schon abgebaut.“ Zum Beispiel mithilfe der Wurst, die es seit 2011 im Anschluss an die Übungen beim gemeinsamen Grillen gibt.
Ein „Du“ bewirkt mehr als ein „Sie“
Für die Bewohner wie auch die Rettungskräfte sind die Übungen nicht nur ein inzwischen willkommenes Wiedersehen, sondern auch eine gute Gelegenheit, sich mit den Besonderheiten vertraut zu machen. „Behinderte Menschen können in Extremsituationen ganz anders und unvorhergesehen reagieren als nichtbehinderte Menschen“, schildert Dornieden. Aber auch für die Feuerwehrleute sind es wertvolle Erfahrungen. Genauso wie die Helfer vom Roten Kreuz und THW wissen sie, wie sich die Bewohner bei einem Brand verhalten und dass man bei der Ansprache mehr Aufmerksamkeit mit einem „Du“ als mit einem „Sie“ erzielt. Durch die simulierte Praxis kennen sich die Retter im Haus bestens aus. „Und die Bewohner wissen, dass die Retter in Uniform und mit Gasmasken keine Aliens sind, die sie wegholen wollen.“
Immer wieder neue Rettungsmaßnahmen
Um Panik zu vermeiden, üben die Bewohner des Lebenshilfe-Wohnheims und die Feuerwehr immer wieder die Evakuierung. „Der Ablauf ist immer derselbe“, sagt Leiter Jörg Dornieden, „wir gehen aber auch immer einen kleinen Schritt weiter.“
Diesmal wurden die Bewohner aus ihren Zimmern gerettet. Beim nächsten Mal im Oktober kann sich Dornieden vorstellen, ausgesuchten Bewohnern Fluchthauben aufzusetzen, mit denen man Rauchvergiftungen vermeiden kann.
So wurde über die Jahre schon reichlich Panikpotenzial abgebaut, das sich allein schon dann ergab, als die Feuerwehr vor einigen Jahren an die Abtskücher Straße gezogen war. Wenn anfangs die Löschzüge mit Blaulicht und Martinshorn ausrückten, „haben das einige Bewohner direkt mit dem Krankenwagen verbunden, der sie selbst abholt.“ Um sie bei der Übung auch nicht unnötig über die Maße zu belasten, wurde zum Beispiel diesmal beim Heruntertragen einiger Rollstuhlfahrer im Treppenhaus nicht auf Schnelligkeit geachtet. „Wichtig ist, dass das Vertrauen der Bewohner zu den Einsatzkräften weiter gestärkt wird und eine kontrollierte Evakuierung funktioniert“, erklärt Michael Batz von der Feuerwehr. Zur Belohnung gibt’s dann ja auch immer eine Grillwurst...