Essen/Meaux. . Für die Ausstellung „1914 – Mitten in Europa“ in der Kokerei Zollverein stellt das Kriegsmuseum der Heiligenhauser Partnerstadt einige prägnante Exponate zur Verfügung. Kurator Ingo Wuttke und Leihvertragsexperte Winfried Tebart berichten über die deutsch-französischen Kulturbeziehungen.
Obacht ist geboten, auf dem Boden herrscht noch ordentlich Kabelsalat – ein Projektor wird gerade installiert. An anderer Stelle schrauben Handwerker Vitrinen zusammen. Ein Stockwerk darüber sind laute Bohrgeräusche zu vernehmen. Ein Bildnis des letzten deutschen Kaisers lehnt an einer Wand, während eine Haubitze in der Raummitte den Blick auf sich zieht. „1914 – Mitten in Europa“ heißt die Ausstellung, die ab 30. April in der ehemaligen Mischanlage der Kokerei Zollverein zu sehen ist und dieser Tage ihren letzten Schliff bekommt. Präsentiert werden dabei zahlreiche Exponate – unter anderem aus Meaux. Das Kriegsmuseum der Heiligenhauser Partnerstadt hat sie zur Verfügung gestellt.
Zum Beispiel die lederbezogene Pickelhaube. Ingo Wuttke hebt das Stück aus dem schützenden Schaumstoff einer hellgrauen Kiste. „Die kleine glänzende Spitze kann man abschrauben – damit die Soldaten keine leicht erkennbaren Zielscheiben für den Feind abgaben. Geholfen hat das nicht. Viele starben in den Schützengräben an Kopfverletzungen durch Geschosse und Splitter“, erklärt der Kurator der Schau. „Erst der Stahlhelm, eine Erfindung des kaiserlichen Leibarztes, bot mehr Schutz.“
Die Pickelhaube wandert zurück in die Kiste. Ein Tornister, zwei Uniformen – General und Infanterist – sowie Gasmasken und diverse Ausrüstungsgegenstände eines deutschen Soldaten warten ebenfalls noch auf ihren Platz in einer Vitrine.
MG für den beweglichen Einsatz
Während ein Maschinengewehr aus dem französischen Kriegsmuseum bereits aufgebaut ist: das MG 08/15. „Eine Weiterentwicklung des MG 08, erheblich leichter und für den beweglichen Einsatz konstruiert“, weiß Wuttke. „Der Begriff 08/15 bedeutet ja im übertragenen Sinn langweilig, stupide. In der Tat musste das jeder Soldat im Schlaf zusammenbauen können“, ergänzt Winfried Tebart, der für die Leihverträge und den Transport der insgesamt 23 Objekte aus Meaux zuständig war.
„1914 – Mitten in Europa“
Die Ausstellung „1914 – Mitten in Europa“ ist eine Kooperation des Ruhr Museums Essen und des LVR-Industriemuseums. Sie ist vom 30. April bis 26. Oktober in der Mischanlage der Kokerei Zollverein in Essen zu sehen.
Auf drei Ebenen des ehemaligen Kohlespeichers widmet sich die Schau der Epoche des Kaiserreiches vor und während des Krieges sowie den politischen und gesellschaftlichen Folgen der bis dato ungekannten Materialschlacht.
Die Ausstellung ist weitestgehend barrierefrei zugänglich. Geöffnet ist sie täglich von 10 bis 18 Uhr.
Und das war kein einfaches Unterfangen. Im Rahmen der von Ruhr Museum Essen und Landschaftsverband Rheinland konzipierten Ausstellung zum Ersten Weltkrieg begaben sich die wissenschaftlichen Mitarbeiter 2012 auf Reisen. „Wir haben uns die Westfront angeguckt und einige prägnante Orte besucht.“ Darunter die Partnerstadt von Heiligenhaus, deren „Musée de la Grande Guerre“ 2011 auf historischem Boden an der Marne, wo die Franzosen im September 1914 die Offensive der deutschen Armee stoppten, entstand. „Unser Glück war, dass das Museum neu war. Die Sammlungsleiterin war unserem Projekt gegenüber sehr aufgeschlossen“, erinnert sich Wuttke. Leihanfragen, Geschütze oder Gewehre betreffend, bei anderen – renommierten – Kriegsmuseen seien nämlich durchaus schwierig gewesen. „Meaux sah die große Chance, bekannt zu werden.“
Winfried Tebart, versierter Frankreich-Kenner im Team, übernahm die Korrespondenz, die sich im Herbst 2013 zunächst sehr erfreulich entwickelte. Doch Anfang 2014 holperte und klemmte es. Wichtige Dokumente fehlten, der Transport der Exponate stand auf der Kippe.
Warten auf wichtige Genehmigungen von Jean-François Copé
„Mehrere Ministerien waren involviert. Denn die Gegenstände unterliegen dem Kriegswaffenkontrollgesetz und dürfen nicht einfach von A nach B transportiert werden“, erklärt Tebart. Ob Gasmasken, Maschinengewehr oder „Totschläger“ – sie wurden als Waffen angesehen, ebenso aber auch als Kulturgut deklariert. „Es hing vieles an Jean-François Copé, der als Bürgermeister von Meaux wie auch in seinen anderen politischen Funktionen die Unterschriften leisten musste“, sagt Tebart. Und: „Als er die Kommunalwahl gewonnen hatte, waren die Genehmigungen schlagartig da.“
Anfang April machte sich Tebart auf den Weg nach Meaux, um die zwei großen Kisten abzuholen. Aus Amiens brachte das Team zudem 14 Kisten mit Schrott mit – „entmilitarisierte“ Granatgeschosse, die in der Ausstellung die Verwüstung durch den Krieg sichtbar machen sollen. „Für die Franzosen ist der Erste Weltkrieg das kollektive Trauma“, berichtet Wuttke. „In der Ausstellung greifen wir deshalb auch die französische Perspektive auf.“