Heiligenhaus. . Die Wassermangel war das erste Neubaugebiet außerhalb des Stadtzentrums, viele alte Heiligenhauser haben zumindest eine Zeit lang hier gelebt. Nach dem zweiten Weltkrieg zogen viele Flüchtlinge und Vertriebene in den Ortsteil, der heute ein reines Wohngebiet ist.
Ein einsames Haus, mitten im Wald, ohne Strom und Wasser. Doch das machte Emilie Rothe nichts aus. Sie bewohnte in den 60er Jahren das Haus, nach dem ein ganzer Stadtteil benannt wurde: Die oder der Wassermangel. Da sind sich selbst die Wassermangler uneins. Die Petroleumlampe ersetzte fehlendes Licht bei der Seniorin, und sie selber fand: Mein reines, klares Regenwasser aus der Zisterne schmeckt eh viel besser als das Chlorwasser aus dem Kran.
Rund 240 Jahre ist da das Haus schon alt, erinnert sich Emilie Rothe, wie es in Broschüre 6 des Cis Hilinciwegs nachzulesen ist. Und bevor es die Zisterne gab, holte man das klare Wasser aus dem Vogelsangbach, bis dieser verschmutzte. Leider abgebrannt, erinnern heute nur noch Bruchstücke an diese Zeit und dieses Haus. „Nur wer weiß, wo es stand, kann es heute noch erahnen“, berichtet Ralf Jeratsch, der in der Wassermangel aufgewachsen ist. Wie so viele andere auch, denn die Wassermangel war das erste Neubaugebiet außerhalb des Stadtzentrums, viele alte Heiligenhauser haben zumindest eine Zeit lang hier gelebt.
Nach Kriegsende kamen viele Flüchtlinge und Vertriebene
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde aus zwei Gründen dringend Wohnraum in Heiligenhaus gebraucht. Zum einen war es das wirtschaftliche Erstarken der Stadt durch metallverarbeitende Betriebe und das Großwerk der AEG, wodurch viele Arbeitsplätze geschaffen wurden. Zum anderen strömten nach Kriegsende viele Vertriebene und Flüchtlinge nach Heiligenhaus. Von 10 495 Einwohnern im Jahr 1945 bis zum Jahr 1964 stieg die Anzahl auf 25 028 Einwohner. In ärmlichen Verhältnissen mit Volksküchen und Wärmestuben lebten viele neue Bürger. Mit der Wassermangel entstand von 1950 bis 1957 ein so genanntes „Flüchtlings- Bundesdorf“, ergänzt um Mietwohnungen und Eigenheime. Beim Aufbau half der Internationale Zivildienst sowie der Katholische Bauorden.
In dem Rondell Zum Wassermangel gab es alle Geschäfte, die für einen lebendigen Stadtteil sorgten. „Wir brauchten gar nicht in die Stadt“, sagt Ralf Jeratsch zurückblickend. Bäcker, Metzger, Milch, Drogerie und Reinigung waren hier angesiedelt. In der Kneipe Zum gemütlichen Eck traf man sich nicht nur nach Feierabend. Nachdem die Engländer das Grundstück an der Talburgstraße verließen, kam das große Bundeswehrdepot, auf dem nun das THW seine Zelte aufgeschlagen hat. Die Wassermangel war voller Leben.
Rund um den Sportplatz ist das Leben
Rund um den Sportplatz, da ist jetzt das Leben, da ist auch mal Lärm. Aber die Anwohner schätzen ihren Stadtteil heute dafür, dass er vor allem ruhig ist. Die Kinder können auf der Straße spielen, die Senioren ihre Gärten pflegen und die Natur genießen. Durch die Ortslinie der Rheinbahn und den Bürgerbus ist man auch schnell in der Stadt. Im Vergleich zu dem pulsierenden Leben in den 60er und 70er Jahren ist es heute ein reiner Wohnort. Geschäfte gibt es keine mehr, in den nächsten Jahren plant auch die Gastronomie zu schließen. Nach Ende dieses Schuljahres wird auch die International School geschlossen. Die Ruhe ist für die Wassermangler aber kein Nachteil, sondern „keiner würde hier wegziehen“, sagt Dietrich Plantikow von der Siedlergemeinschaft Kantstraße.