Heiligenhaus. . Geballte Frauenpower in Heiligenhaus: Mit Sängerin Anne Haigis erleben die Zuhörer im Club musikalische Wanderlust. Westerngitarristin Ina Boo spielt auf der Zwölfsaitigen.
Die Melodie hallt blechern durch eine wüste Landschaft, gebildet von einem einzigen langen Basston. Anne Haigis singt, mit viel Vibrato und Tremolo in der Stimme, röhrig, bis das Mikro übersteuert, begleitet von Ina Boos Stahlsaitengitarre. Ist es Weite, ist es Menschenleere? Ist es Wehmut, ist es Fernweh? Jedenfalls war der Club voll, als Haigis am Samstag im Rahmen ihrer „Songperlen“-Tour den Blues vom Scheideweg gab.
„Tut weh, tut aber auch wieder gut“, so ihre knappe Definition des Blues. Sie lieferte noch eine stimmgewaltige Parodie des typischen Männerthemas, in dem ein Mann am Morgen die Liebste nicht mehr vorfindet. „When I woke up in the morning“, knödelt sie mit Südstaatenakzent, „she’s so gone, she’s so gone!“ Auf der Bühne selbst war diesmal nur Frauenpower.
Mit Trude Herr und Tom Waits
Das Publikum hatte viel zu lachen, wenn Haigis zwischen Schwäbisch (Heimat) und Kölsch (Wahlheimat) wechselte, und mitzufühlen, wenn sie sang. „Sie war ein Kind der Sterne/[...] jetzt schweigt sie allwissend/[...] Was ist passiert/Ich werde es nie verstehen“ oder von einer jungen Pazifistin, deren Schatz in den Vietnamkrieg muss, „That was a long long time ago“. Neben eigenen Songs gab sie auch das gut zu ihrer Stimme passende Tom-Waits-Cover „Tom Traubert’s Blues“ und zwei Songs, die Trude Herr auf englischsprachige Hits schrieb: die „Nacht aus Glas“, die Herr kurz vor ihrem Tod Angst machte, und die Huldigung ihres Papas: „Wenn mich das Schicksal schleift/[...] seh ich im Nebel dein Gesicht“. Gegengewicht zu ernsten Balladen über Verlust und Krieg bildeten optimistische Lieder wie Haigis’ kraftvoll verliebtes „Immer wieder du“, in dem sie singt, „Ich seh dich selbst mit Augen zu“, und „Raise the Dead“: „Everybody run for your freedom/[...] for themselves/[...] for each other“. Nach der Pause wurde zum Mitsingen und „wildem Improvisieren“ aufgefordert.
Anne Haigis, geboren 1955 in Rottweil, spielte unter anderem schon mit Größen wie Tony Carey und Eric Burdon auf einer Bühne. Ihr aktuelles Album heißt „Wanderlust“ und ist 2011 erschienen. Das englische „Wanderlust“ ist dem deutschen Wort entlehnt, wird aber besser mit Fernweh übersetzt. Das Publikum, von dem sich einige noch an Haigis’ Club-Auftritt vor 20 Jahren erinnerten, äußerte einhellig Zustimmung zur musikalischen Zusammenballung der fülligen Röhre mit der drahtigen Zwölfsaitigen und der drahtigen Bassen mit der kernigen Sechssaitigen.