Heiligenhaus. .

Langsam schiebt sich der schwere Bühnenvorhang zur Seite. Ein Raunen geht durch das Publikum, als sich die aufgemalte Schneelandschaft enthüllt. Vor den verschneiten Hütten stehen die Akteure der russischen Winterrevue. Mit ihren leuchtenden und handbestickten Kostümen überstrahlen sie sogar das mehrere Meter hohe Bühnenbild. Allein schon der Auftakt des zweistündigen Bühnenprogramms ist beeindruckend schön – die anschließende Reise durchs winterliche Russland steht dem in nichts nach.

Ausdruck purer Lebensfreude

Ein heller Schrei hallt durch die Aule, dann noch einer und noch einer. Was im ersten Moment eher befremdlich klingt, ist ein Ausdruck purer Lebensfreude. Eine Dame im Chor der Weihnachtsrevue „Ivushka“ ist auf eben dieses freundliche Schreien spezialisiert, und nach ein paar Liedern fällt es auch schon gar nicht mehr auf. Zuschauer, deren Wurzeln nicht in Russland liegen, müssen sich erst mal an das gewöhnen, was auf der Bühne passiert. Denn die Show ist wie ein knallbuntes Feuerwerk. Auf den einen mag der extreme Pomp kitschig wirken, für den anderen ist er der Zündfunke zur Weihnachtsvorfreude.

In bodenlangen Kleidern wirbeln die Tänzerinnen über die Bühne und präsentieren traditionelle Tänze aus ganz Russland. Die Reise durch das Reich des Zaren zeigt, wie unterschiedlich die Kulturen in dem gut 17 000 Quadratkilometer großen Land sind. Neben den berühmten kosakischen Tänzen wie dem Kasatschok, bei dem die Herren aus der Hocke auf die Fersen springen, zeigen die Akteure auch Skurriles aus der kalmückischen Steppe. Wobei es darum geht, so viel wie möglich mit dem ganzen Körper zu wackeln.

Die Weihnachtsrevue schafft es, das Publikum in ihren Bann zu ziehen – und das trotz fast ausschließlich russischer Liedtexte. Es macht rein gar nichts, wenn man nicht versteht, worum es geht, denn das Gefühl, das in diesen Liedern mitschwingt, erreicht auch noch den hintersten Rang.

Einen gewissen Herren kennt allerdings wohl jeder, oder glaubt es zumindest. Weißer Rauschebart, rote Mütze und dicker Wanst. Für uns ist es der Weihnachtsmann, der zusammen mit einer jungen Frau die Aula betritt. Doch in Russland hat er seit der Oktober-Revolution einen ganz anderen Namen. Als „Väterchen Frost“ bringt er, weil das Weihnachtsfest verboten war, den Kindern am Neujahrstag Geschenke. Stets begleitet wird er von seiner frostigen Enkelin Snegurotschka, dem „Schneeflöckchen“.

Und am Ende des rasanten Programms, wird es dann doch noch mal richtig ruhig; mit Schneeballschlacht und überdimensional großem Schneemann verabschiedet sich die russische Weihnachtsrevue aus Heiligenhaus und hinterlässt ein Gefühl von gespannter Besinnlichkeit.