Zwönitz.. Der Zwönitzer Bürgermeister Wolfgang Triebert fuhr mit dem Motorrad über die Grenze.


Das Gebiet hinter der Mauer lag für Zwönitz’ Bürgermeister Wolfgang Triebert fern jeder Vorstellungskraft. Zwar lief in seiner Chemnitzer Studentenbude auch West-Fernsehen, doch mit eigenen Augen hatte er das Wirtschaftswunderland nie gesehen. Als die Mauer 1989 fiel, nutzte Triebert die Chance und fuhr mit seinem Motorrad durch den eisernen Vorhang, der Deutschland 28 Jahre lang geteilt hatte. Mittlerweile seien diese Grenzen nicht nur auf der Landkarte, sondern gerade in den Köpfen jüngerer Generationen verschwunden. Bei denen, die im DDR-System groß geworden sind, ist das Erlebte allerdings noch mental verwurzelt.

„Schon allein die Nachricht, dass die Grenzen offen sind, war unglaublich. Damit hatte niemand gerechnet“, erinnert sich Wolfgang Triebert an den Moment, in dem der Eiserne Vorhang fiel. Doch der frisch gebackene Student fühlte im ersten Moment nicht nur die Welle der Euphorie, die über die ganze Republik hereinbrach. Wie viele seiner Kommilitonen hinterfragte Zwönitz’ Bürgermeister die Vereinigung auch kritisch.


Die ersten Westeindrücke musste er zerstören

Der Ost-West-Angleich dauerte nämlich nicht nur die versprochenen zehn Jahre. Selbst heute seien die Unterschiede, gerade finanziell, noch in vielen Kommunen spürbar. Bei der Wende-Generation sind sie aber auch geistig verankert. „Das System hat uns geprägt, ob wir wollten oder nicht“, sagt Triebert. Junge Menschen wie sein Sohn würden keine Unterschiede mehr sehen. Ihnen wurde der einheitliche Gedanke praktisch in die Wiege gelegt. Das Leben hinter einem Todesstreifen hat die neue Generation nicht mehr erlebt. Aber der Zwönitzer ist sich sicher, dass sich die Einheit auch irgendwann in den Portemonnaies bemerkbar macht. „Wir werden uns in der Mitte treffen. Wenn auch langsamer als gedacht.“

Mit Vollgas hingegen ging es, einen Tag nach dem Mauerfall, für Wolfgang Triebert in den Westen. Der damalige Student schwang sich auf sein Motorrad und brauste in Richtung Grenze – ein Moment, den er unbedingt für die Ewigkeit festhalten wollte. Doch die Grenzer bäumten sich noch einmal vor ihm auf und forderten den Fotofilm. Triebert musste die ersten Westeindrücke vor ihren Augen zerstören und durfte dann erst weiterfahren. Mit dem Begrüßungsgeld hielt er an einer West-Drogerie. „Ich habe dann einen neuen Film für meine Kamera gekauft. Schwarz-Weiß natürlich, weil ich nicht ahnen konnte, Farbfilme hatten im Osten keine gute Qualität – im Westen aber schon. Der Drogist hat mich vielleicht komisch angeguckt.“ Doch die ersten Stunden hinter der Grenze waren für den Zwönitzer alles andere als farblos. Die Bilder von randvoll gefüllten Schaufenstern und belebten Gaststätten sind heute noch so farbenfroh im Gedächtnis des Bürgermeisters wie 1989.