Heiligenhaus. . Am Basildonplatz in Heiligenhaus steht jetzt eine Vitrine voller Bücher. Sie ist eine Tauschbörse für Leseratten: Jeder darf sich bedienen, jeder darf einstellen. Und das kostenlos.
Das Geheimnis um das blaue Paket am Basildonplatz ist gelüftet: Unter dem Tuch versteckte sich ein öffentlicher Bücherschrank. Am Dienstagvormittag wurde er den Händen der Heiligenhauser übergeben, die daraus fleißig Bücher entnehmen dürfen. Kostenlos und im Idealfall im Tausch gegen andere.
Die Erstausstattung kann sich lesen lassen: 250 Bücher fasst der Schrank, zur Verfügung gestellt hat sie der Arbeitskreis Kultur und Gesellschaft. Die Auswahl ist ebenso bunt wie die Buchrücken: Erst wenige Jahre alte Bestseller wie „Sakrileg“ von Dan Brown oder „Das Alphabethaus“ von Jussi Adler Olsen stehen Seite an Seite mit Loriot-Schmökern und Garten-Ratgebern.
Und einem TKKG-Buch, das der Bürgermeister beigesteuert hat. „Das habe ich als Kind gelesen“, erzählt er. Jetzt dürfen andere Hände darin blättern. Das ist das Konzept des öffentlichen Bücherschranks: Sein Inhalt ist von allen für alle. Wer ein Buch übrig hat, stellt eins rein; wer eins ausleihen oder haben möchte, nimmt es raus. Gut, dass es vom Bücherschrank nur ein paar Schritte zur nächsten Bank sind; für Lesevergnügen to go oder to sit sozusagen: „Zum hier sitzen oder mit nach Hause nehmen“, wie Heinisch erläutert.
Rost als Mittel gegen Vandalismus
Gewünscht hatte sich Ruth Ortlinghaus vom Arbeitskreis Kultur und Gesellschaft einen solchen Bücherschrank für Heiligenhaus schon lange. „Leseförderung wird bei uns großgeschrieben“, sagt sie. „Bücher dokumentieren Geschichte, und sie erzählen Geschichte.“ Der Arbeitskreis Kultur hat die Patenschaft für den Bücherschrank übernommen und wird über seinen Inhalt wachen: Für Scientology-Pamphlete und parteipolitische Schriften bleibt kein Platz in der 2,20 Meter hohen und 60 Zentimeter breiten Vitrine. Die Erinnerungen von Helmut Kohl durften aber auf eins der Regale.
Wie bei jedem anderen Buch stellt sich hier die Frage, wie lange es im Bücherschrank stehenbleibt. In anderen Städten hat Heinisch beobachtet: „Es gibt viele Leute, die reingucken oder Bücher reinstellen. Der Schrank wird leben und sich verändern.“
Und zwar von innen wie außen: Schon jetzt ist auf der Stahlhülle ein wenig Rost zu sehen. Kein Zeichen von Verfall, sondern eines von Schutz, erklärt Architekt Hans-Jürgen Greve, der den Bücherschrank entworfen hat: „Alle Sprayer wissen: Sie haben keine Chance, der Lack würde auf dem Rost nicht halten.“ Überhaupt sei Vandalismus kein Problem, sagt Frithjof Gerstner vom Sponsor RWE, der schon 50 solcher Bücherschränke betreibt: „Die jungen Leute haben Respekt vor dem Kulturgut Buch.“ Denen im Bücherschrank am Basildonplatz wächst langsam, aber sicher eine schützende Patina. Greve kündigt an: „In zwei bis drei Monaten ist der Bücherschrank komplett durchgerostet.“
Seinen Platz gefunden hat der Bücherschrank an der oberen Friedhofstraße an der Treppe zum Basildonplatz.
Die Nutzung eines Bonner Bücherschranks untersuchten vor ein paar Jahren Bonner Studenten. Anhand einer Befragung fanden sie heraus:
Männer und Frauen nutzen ihn gleichermaßen. Allerdings stecken Männer eher ein, während Frauen öfter zum Geben bereit sind.
Das Alter der Leseratten am Bücherschrank bewegt sich zwischen 15 und über 60 Jahren.
Fast zwei Drittel der Nutzer geben und nehmen; ein Viertel bedient sich lieber, und etwa ein Siebtel stellt vorwiegend Bücher ein.