Heiligenhaus.. Die erste Forsteinrichtung seit 1998 findet zurzeit in Heiligenhaus statt. Bäume werden gezählt und vermessen, der mögliche Holzertrag berechnet. Das Ziel: ein Forstwirtschaftsplan für die nächsten zehn Jahre.


Am Ende von Susanne Lills Arbeit stehen eine Waldkarte und ein Brockhaus-dicker Wälzer. Auf einen Blick kann der Förster von der Karte ablesen, dass hier 120 Jahre alte Buchen wachsen und dort 90-jährige Fichten: Der Laubbaum ist braun eingezeichnet, der Nadelbaum blau; je dunkler die Farbe, desto älter der hölzerne Riese. Auch Bereiche vom Naturschutzgebiet bis zur forstlichen Versuchsfläche verzeichnet Lills Karte. Der kiloschwere Begleitband hält die Erkenntnisse der Forsteinrichterin in Tabellen fest; sortiert nach einer Art Hausnummer für jedes Gebiet steht drin, welche Holzmenge dort wächst, welcher Ertragsklasse das Holz zuzuordnen ist, ob auszudünnen oder aufzuforsten ist.

Forsteinrichtung nennt sich das, was Susanne Lill da tut, und eigentlich sollte sie alle zehn Jahre stattfinden. In Heiligenhaus allerdings wurde die letzte 1998 durchgeführt; der Orkan Kyrill hat der üblichen Regelmäßigkeit einen Strich durch die Bürokratie gemacht. Eine Art Inventur des Waldes ist die Aufgabe von Lill. Revierförster Volker Steinhage erklärt, wonach Lill dabei Ausschau hält: „Was steht? Wie viel ist dazu gewachsen? Was ist entnommen worden?“ Ist Lill mit ihrer Inventur fertig, zieht sie Bilanz und spricht Handlungsempfehlungen aus. Muss zum Beispiel ein bewaldeter Steilhang abgesichert werden, damit er nicht den Verkehr auf der Straße darunter gefährdet, schreibt sie das in ihren Bericht.

„Qualifizierte Schätzung“

    Lills Ergebnisse basieren auf etwas, das in ihren Worten schlicht klingt: „Ich stehe wirklich im Wald und zähle Bäume.“ Allerdings nicht an den Fingern ab, sondern mit Hilfe eines sogenannten Spiegelrelaskops. Das Gerät mutet an wie eine Art Fernglas-Monokel. Blickt Lill hindurch wie an diesem Tag in Gebiet 112E1, sieht sie den Wald dank lauter Bäumen und einer Skala. Diese hilft ihr, die Höhe einzelner Bäume zu messen und davon abzuleiten, wie alt sie sind. Mithilfe dieser Zahlen rechnet sie aus, wie viel das Holz am Markt einbringen kann. Bei ihren Kontrollgängen durch den Wald dreht sich die Forsteinrichterin „alle 50 Meter“ um und blickt durch das Spiegelrelaskop zurück. Für das Zählen sucht sie sich dabei einen Baum mit einer bestimmten Dicke aus und notiert alle weiteren Stämme, die in dasselbe Raster passen. Auf diese Weise kann sie später die Holzmenge berechnen, die das entsprechende Waldstück hergibt. Eine unwiderlegbare Wissenschaft ist die Vermessung des Wildwuchses aber nicht: „Es ist eine qualifizierte Schätzung“, gibt sie zu.

Stadt erntet Holz im Wert von 60 000 Euro erstmal nicht

Aus der Schätzung wird am Ende eine Planung für die nächsten zehn Jahre: Soll Holz entnommen oder neue Bäume gepflanzt werden? Müssen ältere Bäume gefällt werden, damit der Nach-Wuchs dank mehr Licht besser gedeihen kann? Dabei zerren verschiedene Ansprüche wie der Wind aus allen Richtungen an Ästen und Förster: Ansprüche der Bevölkerung ans Erholungsgebiet Wald müssen ebenso erfüllt werden wie solche des Trinkwasser- oder Naturschutzes sowie wirtschaftliche Interessen der Waldbesitzer.

Die von Heiligenhaus, dem Besitzer von 112E1, müssen erstmal zurückstecken. Denn die Lkw, die das am Isenbügeler Bahnhof zu erntende Holz abtransportieren könnten, bedeuten mit ihren etlichen Tonnen Gewicht eine schwere Belastung für die Asphaltdecke auf dem Panoramaradweg. Die wurde zwar unter anderem für etwaigen Holztransport verstärkt, dennoch will man ihre Tragfähigkeit nicht so bald austesten. Qualifiziert geschätzte 500 Festmeter Holz mit einem Preis von je 60 Euro, also einem Gesamtwert von 30 000 Euro, bleiben auf 1,5 Hektar also zunächst der Natur überlassen. Daher wird wohl in Lills Abschlussbericht stehen: „Altholz erhalten und wachsen lassen.“

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