Heiligenhaus. . Weil es in Velbert keinen Platz mehr für sie gab, zog die Firma Wesa-dress nach Heiligenhaus. Hier ist sie größter Mieter auf dem ehemaligen Ubrig-Gelände und will ihren Umsatz verdoppeln.

Auch in der Wirtschaft gilt offenbar: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte – in diesem Fall die Stadt Heiligenhaus. Die verdankt einen neuen Gewerbesteuerzahler dem Zwist zwischen dem Unternehmen Wesa-dress und der Wirtschaftsförderung der Stadt Velbert. Weil man sich ein paar Kilometer weiter nicht einig wurde, zog Wesa-dress um – und ist jetzt größter Mieter auf dem ehemaligen Ubrig-Gelände. 50 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von 2,5 Millionen Euro bringt die Neuansiedlung mit.

Anfang des Jahres kehrte Wesa-dress Neviges den Rücken und packte ein, was ging. Allerdings ging nicht viel. „Wir konnten praktisch nichts mitnehmen“, beklagt Miteigner Peter Henning. Einen speziellen Ofen musste die Firma neu anschaffen – „Wenn Sie so einen Ofen abbauen, ist der kaputt“ – und auch die Galvanik mussten Henning und seine Mitarbeiter stehen lassen. Denn sie hätte zwar noch einige Jahre weiter ihre Dienste leisten können, ist aber für eine neue Genehmigung zu alt. Die wird bei einem Umzug allerdings fällig. „Allein die neue Galvanik hat eine halbe Million Euro gekostet“, verdeutlicht Henning den Preis, den das Unternehmen für den unfreiwilligen Umzug zahlen musste. Eine Million Euro für neue Geräte kamen insgesamt zusammen – 40 Prozent des Jahresumsatzes.

Vorausgegangen war eine wirtschaftliche Odyssee: Nachdem das ursprüngliche Firmengelände in Neviges 2007 im Rahmen einer Zwangsversteigerung von einem neuen Besitzer übernommen wurde, musste sich Wesa eine neue Heimat suchen. Und glaubte sie gefunden zu haben: „Die Wirtschaftsförderung Velbert hat uns ein schönes Gelände an der Talstraße vorgestellt“, erzählt Henning. Der Miteigner wollte direkt zuschlagen, um ein eigenes Gebäude zu errichten und vom Mieter zum Eigentümer aufzusteigen. Das Geld dafür, so erinnert er sich, wollte die Stadt erst später sehen. „Man hat mir gesagt: Sie brauchen das noch nicht zu bezahlen, das ist fest für Sie reserviert.“ Erst zu Baubeginn solle er überweisen. Als es soweit war, habe es plötzlich geheißen, die Wirtschaftsförderung habe sich vertan, und die sicher geglaubte neue Heimat ging an eine andere Firma. Als Begründung habe ihm die Wirtschaftsförderung gesagt: „Das ist eine auswärtige Firma, und außerdem hat sie mehr Arbeitsplätze.“ Belege für diese Aussagen hat Henning nicht. „Das machen die nicht schriftlich“, sagt er.

Neues Geschäftsfeld in Heiligenhaus

Auch ein Alternativgelände habe die Velberter Wirtschaftsförderung nicht wie zugesagt vermittelt. „Dann haben wir die Wirtschaftsförderungen der umliegenden Städte angerufen.“ Hilfe gab es am anderen Ende der Leitung keine. „Den Tipp mit dem Ubrig-Gelände haben wir aus Wuppertal bekommen“, berichtet Henning; vom Käufer der ehemaligen Industriebrache. Damit hatte die Standortsuche zwar ein Ende – die Irritation über die Wirtschaftsförderung Velbert aber nicht: „Als ich den Mietvertrag in Heiligenhaus unterschrieben hatte, meldete sich Velbert: Ob wir das nicht rückgängig machen können.“ Peter Henning ist eigentlich ein ruhiger Mensch. In diesem Telefonat aber sei er laut geworden.

Ein Gutes hat der Umzug nach Heiligenhaus für Wesa-dress aber doch mit sich gebracht: ein neues Geschäftsfeld. Als sich die Gelegenheit bot, in die Tauchlackierung einzusteigen, machte Wesa Nägel mit Köpfen und vergrößerte sich von bis dahin 2500 Quadratmetern auf 3500. „Das hätten wir in Neviges gar nicht mehr hingekriegt“, sagt Henning. Einen neuen Kunden hat er vor Ort auch schon gewonnen: die Firma Fuhr. Grund genug für neuen Optimismus in der neuen Heimat: „Unseren Umsatz möchten wir gerne verdoppeln. Die Kapazitäten dafür haben wir jetzt.“ Gelingt das Vorhaben, wird Wesa-dress in den nächsten fünf Jahren 30 neue Arbeitsplätze schaffen. In Heiligenhaus – nicht in Velbert.

Wirtschaftsförderung Velbert weist Vorwürfe zurück

Die Vorwürfe von Wesa-Miteigner Peter Henning will Frank Schmidt, Leiter der Velberter Wirtschaftsförderung, nicht auf sich sitzen lassen. „Nach Aktenlage“ rekonstruiert er den Fall wie folgt: Eine Zusage für das von Wesa gewünschte Gelände habe es wenn, dann nur unter Vorbehalt gegeben. Zur Entscheidung für den externen Mitbieter statt des heimischen Unternehmens sagt er: „Wenn zwei Firmen gleichzeitig Interesse haben, müssen wir natürlich nach Wirtschaftsförderungsinteressen entscheiden. Da geht es um grundsätzliche Aspekte wie Mitarbeiterzahl und Perspektive.“ Einen Versuch, den in Heiligenhaus schließlich unterschriebenen Mietvertrag aufzulösen, habe es von Velberter Seite aus nicht gegeben. „Wenn, dann gab es die Hoffnung auf eine nicht endgültige Lösung.“

Auf Heiligenhauser Seite hingegen reklamiert die Wirtschaftsförderung den Erfolg, ein neues Unternehmen in die Stadt geholt zu haben, für sich: „„Das ist ein Musterbeispiel dafür, wie eine Ansiedlung funktionieren kann“, sagt deren Leiter Peter Parnow. Den Kontakt zum Vermieter des ehemaligen Ubrig-Geländes habe man hergestellt, „vier, fünf Tage später war der Mietvertrag unterschrieben“. Auf Nachfrage räumt er aber ein, „parallel“ möge es, wie von Henning geschildert, einen durch Wuppertal vermittelten Kontakt gegeben haben.

Keine Angaben will Parnow zu den Einnahmen machen, die der Stadt durch die neue Firma vor Ort blühen; er verweist aufs Steuergeheimnis. Klar sei aber: „Wir werden davon profitieren.“

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