Heiligenhaus. . Hans Schöttler macht geschwächte Säuger wieder fit für ein Leben in der Natur. Zurzeit beherbergt er eine Zwergfledermaus namens Lukas.

Als Hans Schöttler seinen jüngsten Übernachtungsgast abholte, brachte er ihm ein paar Krümel der Hinterlassenschaften seines Vorgängers mit. Ungewöhnliche Übernachtungsgäste erfordern ungewöhnliche Zeichen der Gastfreundschaft. Mit denen kennt sich der Vorsitzende der örtlichen Nabu-Gruppe aus: Seit 15 Jahren dient sein Haus als Fledermaus-Hotel für pflegebedürftige Vampire. Der aktuelle Gast: eine Zwergfledermaus namens Lukas.

Für den braunen Willkommensgruß hat Schöttler eine Erklärung: „Dann riecht die Holzkiste nach Fledermaus.“ Für die Nase des daumengroßen Säugetiers ist der vertraute Gestank weniger furchteinflößend als die künstliche Duftnote eines Menschen.

Damit sich Lukas im vorübergehenden Domizil wohlfühlt, muss es ungemütlich kalt sein. Schließlich hinge er eigentlich noch neben seinen Artgenossen im Winterschlaf. Erst, wenn es draußen so warm ist, dass genügend Beute-Mücken herumschwirren, schwärmen die Zwergfledermäuse aus.

Genau das passierte Anfang März und wurde Lukas zum Verhängnis. Auf zwei laue Wochen folgten seitdem nahezu ununterbrochene Frostnächte. Das Problem: „Wenn Frost da ist, sind keine Mücken da.“ Die aber braucht Lukas zum Überleben: 200 bis 300 der Insekten vertilgt er in einer Nacht. Nach dem Winterschlaf ab November ist sein Hunger besonders groß: „Wenn Fledermäuse aus dem Winterschlaf kommen, haben sie die Hälfte ihres Körpergewichts aufgezehrt“, sagt der Experte. Von der Nulldiät entkräftet, hatte Lukas Glück im Unglück: Die Bewohner eines Hofs in Essen-Werden fanden den entkräfteten Flieger und riefen Hans Schöttler. Der hat ihn inzwischen auf geschätzte fünf Gramm hochgepäppelt; ein gesundes Gewicht für eine einjährige Zwergfledermaus.

Mehlwürmer und Kondensmilch

Das Menü der Wahl: Mehlwürmer und Kondensmilch. Lukas schmatzt, als er einen der zentimeterlangen Eiweißlieferanten binnen Sekunden mit seinen spitzen Zähnchen zerkleinert. Anschließend spült er die Mahlzeit mit Kondensmilch herunter, die er von einer Pipette leckt. „Ich darf nur ganz langsam drücken, sonst dusche ich ihn sofort“, mahnt sein Pfleger sich selbst zur Vorsicht. Lukas scheint das zu bestätigen: Kommt Schöttler ihm mit der Pipette zu nahe, keckert er erbost.

Viermal am Tag füttert der „Batman von Heiligenhaus“, wie ihn Bürgermeister Dr. Jan Heinisch nennt, seinen Schützling. Auch Flugrunden im Badezimmer darf Lukas drehen; er trainiert für seine Auswilderung. Mit ausgebreiteten Schwingen wird aus dem daumengroßen Zwerg eine ausgewachsene Fledermaus mit einer Spannweite von 16 Zentimetern, die fast lautlos an jedem Hindernis vorbeiraschelt.

Streicheleinheiten kommen im Hotel Schöttler auch nicht zu kurz. Mit einem Pinsel liebkost der Hausherr das Tier – Ersatz für die natürliche Schmuserei unter Artgenossen: „Fledermäuse kuscheln und putzen sich. Sie sind sehr sozial und wollen immer in Gruppen sein.“

Bald kann Lukas den Pinsel wieder gegen das Fell seiner Mit-Fledermäuse tauschen. Bleibt das Wetter beständig warm, wird Schöttler ihn auswildern: auf jenem Hof, auf dem die Zwergfledermaus vor einem Monat gefunden wurde. Lukas wird dort sofort Familienanschluss haben: „Die Mama erkennt ihn am Geräusch und am Geruch“, erklärt Schöttler.

Auf dessen Rückweg nach Heiligenhaus wird Lukas’ Holzbox nur fast leer sein. Ein paar Krümel seiner Hinterlassenschaften bleiben drin – der nächste Fledermausnotruf kommt bestimmt.

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