Heiligenhaus. . Die Stadt versucht, eine Vision wahr werden zu lassen. Aber ihre Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsansiedlung sind begrenzt.

Im Gespräch mit WAZ-Redakteurin Monique de Cleur spricht Wirtschaftsförderer Peter Parnow unter anderem über die Essener Einkaufsmeile Rü als Vorbild für die Hauptstraße. Der zweite Teil des Interviews beschließt die WAZ-Serie zur Situation des Einzelhandels in der Stadt.

Der ehemalige Herrenausstatter Karl-August Grone klagt: „Die großen Geschäfte haben alles kaputtgemacht.“ Welche Möglichkeiten hat die Stadt, individuelle Läden anzusiedeln statt Anbieter billiger Massenware?

Peter Parnow: Unsere Einflussmöglichkeiten sind begrenzt. Wir sind in dem Spiel Dritter – nach den Nachfragenden und den Immobilienbesitzern. Die Filialisten sind finanziell so aufgestellt, dass sie neben der Startinvestition eine ortsübliche Miete zahlen können. Beim inhabergeführten Einzelhandel ist das oft schwieriger: Einrichtung, Personal, Ware, Miete, alles zusammen erschwert den Start. Deshalb haben wir versucht, die Immobilieneigentümer zu sensibilisieren, zum Beispiel über Staffelmieten nachzudenken, die am Anfang nicht so hoch sind und langsam steigen. Wir haben angefragt bezüglich der Mietverträge im Rahmen einer Befragung vor vier, fünf Jahren. Die Ausbeute war vernichtend gering. Wir schauen regelmäßig: Wo gibt es Leerstände?, damit wir Angebot und Nachfrage zusammenbringen können. Eigene Immobilien direkt an der Hauptstraße besitzt die Stadt nicht. Wir haben zwei auf dem Rathausplatz: In der einen befindet sich das Eiscafé El Dolce, das bereichert den Platz. Die andere ist der Pavillon.

Viele Läden leben von Stammkunden. Wie kann die Stadt neue Kunden von außerhalb nach Heiligenhaus ziehen?

Wir haben Kaufkraftabflüsse. Das werden wir mit der Bebauung des Kiekert-Areals ein Stück weit eindämmen können, und über Vollsortimenter. C&A in Sichtweite wird Kunden auf die Hauptstraße ziehen. Das sind kurze Wege.

Wie ist die Stadt im Gespräch mit den Bürgern darüber, welche Angebote sie in ihrer Stadt vermissen?

Wir hatten einen Innenstadt-Workshop mit 200 Besuchern, vier Workshops zur Hauptstraße, einen zum Hefelmann-Park. Wir nehmen die Bürger bei der Planung mit. Außerdem gab es die Befragung zum Einzelhandelskonzept: Wo welcher Bedarf ist, den wir auf dem Kiekert-Areal bedienen werden, und die IHK-Kunden- und Geschäftsbefragung.

Die Einkaufsstraße Rü in Essen-Rüttenscheid gilt als Beispiel dafür, wie die Hauptstraße aussehen sollte. Utopie oder machbar?

Man kann ja mal darüber nachdenken: künftig hier die Hü. Einspurig und 30 km/h, das ist auf der Rü auch. Die Rü hat deutlich vom Straßenumbau profitiert. In Heiligenhaus steht der Umbau der Hauptstraße 2013 an. Der ein oder andere mag die Rü als Beispiel bei der Planung im Kopf gehabt haben.

Was kann Heiligenhaus den umliegenden Einkaufsstädten Düsseldorf oder Essen entgegensetzen?

Wir haben die spezielle Situation, dass Essen und Düsseldorf jeweils in 20 Minuten erreichbar sind. Deshalb ist der Vergleich auch unfair. Man kann Heiligenhaus natürlich nicht mit der Düsseldorfer Kö vergleichen. In den Bereichen außerhalb des täglichen Bedarfs werden wir nicht so weit aufrüsten können, dass wir auf Augenhöhe sind. Wir können aber durch Nähe trumpfen, durch Kundenservice, Freundlichkeit und persönliche Ansprache. Die kostenlosen Parkmöglichkeiten sind ein weiterer Trumpf. Auch die Mobilitätskosten sollte man nicht ignorieren: In Heiligenhaus kann man dank des Panoramaradwegs mit dem Fahrrad oder zu Fuß einkaufen.

Mancherorts sind seitens der Geschäfte Klagen zu hören über eine zu geringe Gesprächsbereitschaft der Stadt: Oft werde erst gehandelt und dann nachgefragt.

Wir haben uns schon viermal mit dem Einzelhandel darüber ausgetauscht, wie wir die Baustelle am Basildonplatz kompensieren können und entsprechende Schritte umgesetzt. Aber auch mit Kompromisslösungen treten Sie immer noch dem einen oder anderen auf die Füße. Und irgendwann müssen Sie handeln, sonst herrscht Stillstand. Wenn wir das nicht umsetzen, kommen wir nicht zu einer attraktiveren Innenstadt.

Ihre Vision für Heiligenhaus 2025?

Eine intakte, zentrale Innenstadt von Kirche zu Kirche, etwas weiter in die Breite gezogen mit dem Einzelhandelsbereich auf dem Kiekert-Areal. Niemand wird sich mehr an die heutigen Befürchtungen erinnern, dass wir damit die Kaufkraft rausziehen. Die Hochschule Bochum wird sich etabliert haben. Es wird zwar kein studentisches Leben wie in Münster geben, aber doch deutlich wahrnehmbar. Die Verweilqualität wird gestiegen sein, die Plätze werden genutzt. Die Einzelhändler müssen sich der Konkurrenz aus dem Internet stellen. Das ist ein Thema, das die Stadt nicht lösen kann.

Mit der Autorin auf Twitter diskutieren: @MdeCleur