Heiligenhaus. . Beim Joggen, auf Reisen, im Supermarkt: Das Handy mit seinen individuellen Programmen ist immer dabei. Ein Einblick in drei Displays.
Früher sagte man: Zeige mir Deine Bücher, und ich sage Dir, wer Du bist. Doch mit der zunehmenden Elektrifizierung der Zeit verlagert sich die Individualität immer mehr vom Regal ins Gerät. Der kleine, kluge Begleiter namens Smartphone ist aus kaum einer Hosentasche mehr wegzudenken; 15 Millionen Deutsche hatten laut einer Forsa-Umfrage im Jahr 2011 die Intelligenz ihres Mobiltelefons mit Apps noch erhöht. Allein im prominentesten Geschäft für die Zusatzprogramme, im App Store, sind aktuell mehr als 700 000 Apps erhältlich. Für den modernen Menschen gilt: Ich appe, also bin ich. Aber wer?
Gisela Hamer
Auf Gisela Hamers Display blickt wohl nur die Sprecherin des Hegerings Heiligenhaus/Hösel selbst durch: 60 Apps tummeln sich dort, zu jedem der kleinen Programme führt ein Symbol auf den Bildschirm.
Nachschlagewerk für Flora und Fauna
Schon auf den ersten Blick wird klar: Die Besitzerin dieses Handys ist begeisterte Naturliebhaberin. „Es sind überwiegend Natur-Apps“, bestätigt sie. „Sie sind für mich Bestimmungs- und Nachschlagewerk.“ Begegnen ihr in Wald und Wiese Pflanze oder Tier, die sie nicht sofort benennen kann, hilft ein Griff zum Handy. Das Gewehr auf dem Rücken, das Handy in der Hand informiert sich Hamer über Jagdzeiten, Mondzeiten und Windrichtungen. Die App „Jagdzeiten“ verrät ihr, auf welches Tier sie in welchem Monat zielen darf – oder auch nicht. Dank „Lumination“ ist sie sich darüber im Klaren, wann ein Jagdausflug im Dunkeln lohnt: „Bei Vollmond kann man auch nachts rausgehen.“ Und „Weather pro“ sagt der Jägerin, aus welcher Richtung der Wind bläst. Diese Information sei besonders für die Fuchsjagd wichtig: „Da weiß ich genau, zu welchem Hochsitz ich erst gar nicht hinzugehen brauche.“ Liegt sie gegen den Wind auf der Lauer, könnte sie ihre potenzielle Beute mit der App „Locklaute“ in die Irre und vor ihren Flinte führen: Ein Druck aufs Display, und ein eindeutig alarmierter Vogel kreischt aus dem Lautsprecher. Getestet hat Hamer die App noch nicht, „aber ich werde das mal probieren“.
Programme für 100 Euro
Außerhalb des Waldes nutzt Gisela Hamer ihre Apps vor allem, um „schnell mal eine Mitteilung zu schicken“, gern auch als Navi-Ersatz. Oder zum Zeitvertreib: „Wenn ich irgendwo warte, nehme ich das schon mal zur Hand“, erzählt sie. Die Multifunktionalität ihres Mobiltelefons lässt sich die Jägerin durchaus etwas kosten. „Ich bin bereit, für Apps zu bezahlen.“ Rund 100 Euro habe sie für ihre stattliche Sammlung investiert. „Für mich lohnt sich das.“
Der Meinung mancher Menschen, Apps seien neumodische und überflüssige Zeitfresser, mag sie sich nicht anschließen: „Viele sagen, das ist moderner Kram. Aber ich finde das toll“, sagt sie. Ihre Apps sind für sie „eine Bereicherung: Man kann sich über Dinge informieren, wo man sonst ganz viele Bücher für zur Hand nehmen müsste“. Ein Ersatz für Nachschlagewerke zum Anfassen sind die elektronischen Helfer für Hamer aber nicht: Im heimischen Bücherregal stehen ihre gedruckten Entsprechungen. Nur auf den Hochsitz mitschleppen möchte sie die Bücher dann doch nicht.
Dr. Jan Heinisch appt entgegen ärztlichem Rat
Das Handy des Bürgermeisters offenbart: wenig. Allenfalls ein Interesse für Autos und Immobilien lässt sich anhand der Symbole auf dem Bildschirm erahnen, sowie eine kleine Obsession mit dem Wetter: Von den nur 13 Apps auf Heinischs Telefon beziehen sich immerhin drei auf Sonne und Wolken. Der Grund dafür ist sozusagen heiter bis wolkig, privat bis dienstlich: Auf dem Display vermischt sich der Bürger mit dem Bürgermeister.
Der private Hintergrund der Wetter-Apps: Heinisch will beim Joggen keine nassen Füße bekommen. Der Dienstliche: „Das Handy ist vernetzt mit einem Unwetterwarndienst für Heiligenhaus“, erklärt der erste Bürger der Stadt. Schrillt die App Alarm, kann er in Absprache mit Feuerwehr und Ordnungsamt notwendige Maßnahmen einleiten.
Eine Verquickung von Büro und Wohnzimmer stellt auch Heinischs Nutzung des verbreiteten Kurznachrichtendienstes „What’s App“ dar: Einerseits trifft er dort per Gruppenchat Absprachen mit seiner Jogginggruppe, andererseits schickt ihm auch sein Büro darüber Mitteilungen. Das unterbricht nicht so sehr wie ein Anruf, und die nötigen Informationen stehen trotzdem auf Abruf bereit. „Nur noch die Hälfte“ seiner Telefonnutzung bestünde im Telefonieren, verrät der Bürgermeister. „Ohne Apps wäre das Handy nur die Hälfte wert.“
Mit der App-Hälfte behält er dank „Immobilienscout“ zum Beispiel „den Markt Wohnen und Gewerbe für Heiligenhaus im Auge: Man sieht Preisvorstellungen und was andere hier so anbieten“, sagt er. Auch „Ortsinfo“ hat er auf sein Handy geladen: „Das ist hilfreich, wenn man kommunal unterwegs ist.“ So kann er sich mobil und unkompliziert über die Stadt informieren, in der der nächste Termin ansteht.
Rein privat appt Heinisch vor allem abends: Zum Feierabend stöbert er auf „Mobile.de“ nach Oldtimern oder blickt mit „Sterne3D“ in den Himmel: „Sternbilder sehe ich mir gern an. Das ist sehr beruhigend.“
Wenige Apps, viele Anwendungen: Für die 13 selbst installierten Programme hat Heinisch „vielleicht zehn Euro insgesamt“ bezahlt, wie er schätzt. Doch die nutzt er oft. Ob beim Joggen, auf Reisen oder im Supermarkt: „In einer Wartesituation gucke ich darauf, selbst wenn ich spazieren gehe“, gibt er zu und diagnostiziert selbst: „Viel zu oft.“ Sein Handy schaltet er nie aus, immer ist es griffbereit, sogar nachts am Bett. Dieser intensive Gebrauch hatte Folgen: Ein Gelenk von Heinischs Daumen ist überreizt. Jetzt wischt er mit dem Zeigefinger.
Nina Beer setzt auf Gratis-Apps
Für die Mitinhaberin von „Bücher und mehr“ ist ihr Handy vor allem eine Kurznachrichtenzentrale. „Seitdem ich What’s App habe, hat sich mein Kommunikationsverhalten bestimmt verdreifacht“, freut sie sich. „Mal eben anrufen ist aus dem Laden schwierig“, mal eben eine SMS schicken gestaltet sich da schon einfacher. Keine Überraschung, dass „What’s App“ ihre persönliche App-Hitliste anführt.
Die Symbole auf Beers Bildschirm und die Regale im Geschäft haben eins gemeinsam: Ordnung. „Ich habe Apps auch schon wieder gelöscht“, sagt sie. Was sie nicht braucht, fliegt raus. Ausgerechnet ein Symbol, das fehlt, bestätigt Beers Vorliebe für gedruckte Buchstaben gegenüber ihren elektronisch flimmernden Verwandten: „Die Duden-App kostet 20 € – da nehme ich lieber das Buch, das bei mir im Regal steht.“
Ein Wörterbuch hat es aber doch auf ihr Mobiltelefon geschafft: Die Übersetzungs-App „Leo“ kommt zum Einsatz, „wenn mir Worte fehlen“, sei es in Klappentexten oder Blog-Einträgen. Und das Magazin „TV Spielfilm“ konsultiert Beer nicht nur in gedruckter Form, sondern auch als App. Ihre Erklärung: „Die Fernsehzeitschrift liegt zu Hause, aber mitunter will ich da auch zwischendurch reingucken.“
Überhaupt ist die Bücherfrau in Sachen Apps eine Zwischendurch-Nutzerin. Zwischendurch mal einen dieser quadratischen Barcodes vor die Handykamera halten („Die sind auf manchen Büchern, und ich konnte es nicht ertragen nicht zu wissen, was dahintersteckte“), zwischendurch mal ein unbekanntes Kennzeichen nachschlagen, zwischendurch mal mit „Score“ den Punktestand beim Spielen notieren. „Wenn ich zu Hause bin, mache ich das lieber mit Papier und Stift, aber im Urlaub ist so etwas angenehm“, findet sie.
Für zwischendurch lohnt es sich nicht, Geld auszugeben; für ihre Apps bezahlt Beer keinen Cent. Aus Überzeugung: „Da geht hier mal ein Euro weg und da einer, und das für etwas relativ Nutzloses. Das möchte ich nicht.“ Die 79 Cent für „What’s App“ sind die Ausnahme. Das Programm ist Beer ans Herz gewachsen. „Auf alles andere könnte ich verzichten.“ Und so verraten ihre Apps wenig über ihre Besitzerin. „Das bildet nur einen Bruchteil meiner Persönlichkeit ab.“