Heiligenhaus. . Auf dem Panoramaradweg patrouilliert die Polizei mit dem Fahrrad. Die WAZ ist mitgefahren.
Drei Silben dauert Holger Müllers Einsatz hinter der Brücke auf dem Sengenholzer Weg. Aus der Gegenrichtung schießen zwei Mountainbiker die Steigung herab. Ein windrauschendes Summen kündigt sie an, Wortbrocken sind zu hören: „35 km/h!“, schon ist das Summen hinter uns. Müller brüllt hinterher: „Fußgänger!“ Keine Zeit für eine Warnung in ganzen Sätzen. Die Adressaten sind schon bei der letzten Silbe außer Hörweite.
Einfach aufs Gaspedal drücken und hinterher ist hier nicht. Denn Holger Müllers Einsatzfahrzeug hat weder Blaulicht noch vier Räder, und auch den silber-blauen Look seiner motorisierten Pendants teilt es nicht. Stattdessen rollt es in schlichtem Schwarz auf zwei unterarmbreiten Reifen daher.
Gleich zu Beginn unserer Patrouille am Sportfeld begegnen wir einer Familie mit Kinderwagen und Hund. Man kennt sich, nickt sich zu. „Wenn ich hier keine Leute kennen würde, würde ich was falsch machen“, sagt Müller grinsend. „Am Anfang haben die Leute gestaunt: Polizei auf dem Fahrrad!“ Doch die radelnde Präsenz habe Vorteile: So starren die Leute nicht vor die Windschutzscheibe des Dienstwagens, sondern können direkt in das Gesicht des Polizisten sehen. Ein weiterer: „Man ist ansprechbar wie ein Fußgänger, aber in einem viel größeren Bereich.“
Für ein bis zwei Stunden täglich steigt der Polizist auf sein Dienst-Mountainbike um und fährt Streife auf dem Panoramaradweg, vom Sengenholzer Weg bis zur Ortsgrenze Velbert, Sommer wie Winter. Etwa 100 Kilometer pro Woche kommen auf diese Weise zusammen.
100 Kilometer pro Woche in polizeilicher Fahrradmontur von Kopf bis Fuß – „steht Polizei drauf, ist auch Polizei drin“, sagt Müller grinsend und klopft sich auf den Helm – um Fußgänger vor Fahrradfahrern im Geschwindigkeitsrausch zu schützen. „Die Verstöße begehen, sind meistens Radler“, sagt er. Dabei haben auf dem Panoramaradweg Fußgänger sozusagen Vorgang; das verdeutlichen die blau-weißen Schilder entlang der Strecke: Fußgänger sind oben, Radfahrer unten abgebildet.
Beim Schutz der Unbereiften vor den bereiften Passanten kommt es gelegentlich zu Verfolgungsjagden, bei denen Müller kräftig in die Pedale treten muss – um Radlern hinterherzufahren, die in ihrem halsbrecherischen Tempo nicht nur sich selbst, sondern auch andere gefährden. „Manche benutzen das hier als Trainingsstrecke“, hat er festgestellt. Und gibt zu: „Wenn jemand Rennrad im Verein fährt, komm’ ich nicht mit.“ Hobby-Biker allerdings sollten ihre Sprintfähigkeiten besser nicht mit ihm messen – dem sehnigen Polizisten ist anzusehen, dass er sich auch privat oft aufs Fahrrad schwingt. „Bergan kann man hier locker 20 fahren“, sagt er. Die untrainierte Reporterin empfindet das Tempo als nicht ganz so locker. Zu meinem Glück verzichtet der Freund und Helfer auf dem Fahrrad an diesem Tag auf Sprinteinlagen. „Ich fahr’ dienstlich nicht Vollgas – sonst bin ich im Falle des Falles noch platt.“ Wie schnell wird er denn? „Naja, das ist ja hier innerstädtisch. Unter 50 km/h.“ Wie beruhigend.
Zwischen theoretischem Tempolimit und dem praktischen klafft auf der ehemaligen Bahntrasse allerdings eine Lücke – hier so schnell entlang zu düsen wie Autos über den Südring, ist in Müllers Augen zu gefährlich. Er spricht schon mal Verwarnungen aus, wenn jemand zu schnell oder rücksichtslos unterwegs ist. „Ein Bußgeld ist selten“, sagt der ordnungshütende Mountainbiker. Einen Verstoß, der gar mit einer Anzeige zu ahnden gewesen wäre, hat er „leider noch nicht gesehen“. Leider? Leider. Denn Holger Müller weiß ganz genau, dass solche Verstöße trotzdem vorkommen – nur bislang ohne Konsequenzen. Aber er weiß auch: „Die Masse fährt in Ordnung.“