Heiligenhaus. .

Wenn Druckerschwärze schreien könnte, so würden Sie jetzt eine vor Schmerzen kreischende Zeitung in den Händen halten. Der Grund: Die Heiligenhauser Kinderärztin Dr. Heidemarie Pankow-Culot berichtet von ihrem Ehrenamt. Sie engagiert sich als erste Vorsitzende des Berufsverbandes für Kinder- und Jugendärzte am „Runden Tisch NRW gegen die Beschneidung von Mädchen und Frauen“ – der erste Arbeitskreis zu diesem Thema auf Landesebene. Das Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration stellt die Räumlichkeiten für den Arbeitskreis vierteljährlich zur Verfügung.

Schon der Begriff „Beschneidung“ an sich löst ein gedankliches „Aua“ aus. Eine Million Frauen und Mädchen werden weltweit, in NRW sind es rund 5600, beschnitten. Pro Jahr. In der englischen Sprache wird von „mutilation“ gesprochen, was dem eigentlichen Zustand am nächsten kommt: Verstümmelung.

Keine religiösen Gründe

„Es sind keine religiösen Gründe“, erklärt die Kinderärztin. Vielmehr stecke eine 5000 Jahre alte Tradition dahinter. Eine Frau, die diesen Eingriff nicht über sich ergehen lässt, läuft Gefahr als Prostituierte zu gelten. Die Beschneidung und anschließende Verengung der Vagina bedeutet für junge Mädchen oft auch der „eindeutig definierte Schritt in die Welt der Erwachsenen“ und nach der Heirat „die eheliche Treue“, verbunden mit der Reduktion der sexuellen Lust.

Diese jahrtausendalte Mär versuchen die Akteure aufzubrechen, zu entzaubern, zu widerlegen, zu bekämpfen. Denn sie bedeutet Pein, Folter und bisweilen den Tod. Immer wieder verbluten Mädchen oder Frauen bei der Operation mit dem Rasiermesser.

Man unterscheidet die gefährliche Quälereien in vier Stufen. Schnitt eins ist die Klitoris zu entfernen. Die Kinderärztin beschreibt die Folgen wie „kein sexuelles Empfinden mehr, Infektionsgefahren sowie starker Blutverlust.“ Dieser „Einschnitt“ entspreche der Penisamputation, so die Medizinerin. Eine weitere Stufe sei die kleinen Schamlippen zu entfernen. Die Beschneiderinnen gehen aber noch weiter und ritzen die großen Schamlippen ab. Und damit dann alles schön fein und säuberlich aussieht, werden die Frauen bis auf ein kleines Loch zugenäht.

Hohe Todesrate

Diese brutalen Eingriffe finden meist weit weg statt, denkt man. In Ägypten, Mittelafrika oder Kurdistan. Mitnichten. „Beschneiderinnen werden auch nach Deutschland eingeflogen“, berichtet die Heiligenhauser Kinderärztin Pankow-Culot. „Juristisch ist die Beschneidung in Deutschland verboten.“ Eine Menschenrechtsverletzung. Vielmehr noch: „Die Frauen müssen geschützt werden.“ Unter Umständen sogar vor ihrer eigenen Familie. Die verstoßen die Frauen und bedrohen sie obendrein, wenn sie nicht beschnitten sind oder aber ihre Töchter nicht beschneiden lassen wollen. Dabei steht eines fest: Medizinisch ist es gefährlich. „Die Todesrate ist sehr hoch und die Folgeschmerzen bestialisch.“

Einen weiteren Höhepunkt der Peinigung erfährt die Frau beim Liebesspiel oder besser bei der Nachwuchszeugung. „Mit einem Messer oder Scherbe ritzt der Mann die Vagina auf, um den Akt durchzuführen. Danach verschließt er die Scheide wieder – mit Stöcken, Dornen oder irgendwelchen Klammern.“ Die Schmerzen müssen höllisch sein. Je mehr Heidemarie Pankow-Culot von Beschneidung spricht, desto mehr will man gegen diese Qual anschreien. Sitzen die Aktiven nach einem Vortrag zusammen, „ist es immer still und leise“. Betroffenheit dehnt sich aus. „Ich bin jedes Mal tief berührt“, berichtet Pankow-Culot.