Heiligenhaus. . Förster Volker Steinhage kann dem entfesselten Orkan inzwischen auch eine gute Seite abgewinnen. Stadt ist bei künftigen Stürmen besser gerüstet.
Sie sind noch jung an Wuchs und in ihrem derzeit unbelaubten Zustand eher unscheinbar. Doch in einigen Jahrzehnten werden die Eichen und Vogelkirschen das Loch in dem Wald unweit des Alten Bahnhofs Isenbügel gefüllt haben. Jenes Loch, das der mächtige Sturm riss. „Kyrill“ hieß er, und sein Name steht für eine hierzulande bislang nicht gekannte entfesselte Natur. Genau fünf Jahre ist das her.
Mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 225 Stundenkilometern zog „Kyrill“ am 18. und 19. Januar über Deutschland hinweg. Bäume knickten wie Streichhölzer um, Dächer wurden abgedeckt, Zäune und Mülltonnen flogen umher, Autos stürzten um und Keller liefen voll Wasser. Alle Züge in NRW standen still, tausende Reisende saßen auf den Bahnhöfen fest. In einigen Städten fiel gar die Stromversorgung aus. Kamen die Kinder noch frühzeitig aus der Schule, ihre Eltern standen auf jeden Fall auf dem Nachhauseweg in langen Staus – denn viele Straßen waren unpassierbar.
Zwei Hektar städtische Fläche war betroffen
Tage später waren zwar die gröbsten Hindernisse beseitigt, und das Leben hatte sich normalisiert – die Schäden am Wald wurden aber erst allmählich offenbar. „Am Tag nach Kyrill bin ich zum Forstamt Mettmann gefahren und dachte noch, so viel ist ja gar nicht passiert. Aber hinter den ersten Baumreihen, die ja immer einiges mehr an Wind aushalten müssen, lagen die Bäume alle flach“, erinnert sich Förster Volker Steinhage.
Gut zwei Hektar kommunale Fläche waren in Heiligenhaus betroffen. Neben dem Gebiet nördlich des Alten Bahnhofs Isenbügel hatte „Kyrill“ unter anderem Baumbestände in der Roßdelle, an der Butterwelle und am Sportfeld niedergewalzt. Vor allem Nadelgehölze traf es, wie die Fichten unweit des heutigen Panoramaradwegs. 51 Jahre hatten sie überstanden, bis der Orkan sie buchstäblich aus den Angeln hob. „Fichten haben flache Wurzeln, das macht sie eben anfällig“, erklärt Steinhage. Dort, wo noch einige Nadelbäume stehengeblieben waren, fielen die Borkenkäfer ein. „Sie fanden gute Bedingungen vor, denn die schadhaften Bäume konnten ja gar nicht so schnell abtransportiert werden.“
Neuanpflanzungen zum Teil aus Spendenaktionen
Gute Ertragswerte seien wohl der Grund gewesen, die eigentlich hier nicht beheimatete Baumart kurz nach dem Krieg anzupflanzen. „Heute würde man das nicht mehr machen.“ Weshalb die Wiederaufforstung der betroffenen Flächen auch mit Laubgehölzen erfolgt ist. Lediglich die Douglasie bildet eine Ausnahme. Der immergrüne Baum ist gern gesehen, weil er im Gegensatz zur Fichte keine Versauerung des Bodens bewirkt.
6425 kleine Bäume zwischen 1,20 und 1,50 m wurden seit „Kyrill“ angepflanzt – finanziert zum Teil aus Spendenaktionen, in die Erde gebracht unter anderem auch von Kinderhänden im Rahmen von Aktionen mit dem Umweltbildungszentrum.
Denke er an 2007, gebe es natürlich viel Negatives. Platt gewalzte Böden hätten ihm einen Stich ins Herz versetzt. „So schlimm Kyrill war, der Sturm hat auch Positives bewirkt, weil er für einen schnelleren Wechsel im Baumbestand gesorgt hat“, sagt Steinhage im Rückblick.
Laubgehölze
„Pech nur, dass es 2007 natürlich ein Überangebot von Holz gab. Der Preisverfall war enorm. Der Markt hat sich inzwischen aber wieder normalisiert“, weiß der Förster, der den Waldbestand in der Forstbetriebsgemeinschaft Ratingen/Heiligenhaus/Mettmann nicht nur in Bezug auf seinen Erholungswert betrachten muss, sondern auch auf seinen wirtschaftlichen Nutzen hin. Dazu gehöre ebenfalls, der Natur ihren Lauf zu lassen, erklärt der Fachmann. Dort, wo nur einzelne Bäume herausgerissen wurden, haben sich beispielsweise Brombeeren angesiedelt, geben der Landschaft ein neues Gesicht. Steinhage: „Circa 18 Hektar waren in der Forstbetriebsgemeinschaft von Kyrill geschädigt worden, 15 bis 16 Hektar wurden wieder aufgeforstet.“
Übrigens nicht mit kurzfristigen Weihnachtsbaumkulturen. „Auch nicht bei den private Waldbesitzern“, betont der Förster. „Unser Konzept ist ein langfristiges.“ Und eines, das gegen solche Stürme in Zukunft besser gewappnet sei.
Der Stab für Außergewöhnliche Einsätze
Premiere hatte im Sturmgeschehen von „Kyrill“ der SAE – der Stab für Außergewöhnliche Einsätze. In ihm wirken unter der Führung des Bürgermeisters Feuerwehr, THW und weitere Fachbereiche der Stadtverwaltung wie Tiefbau und Technische Betriebe. „Ich kann mich erinnern, wie der Sturm immer wieder die Tür aufriss“, erinnert sich Dr. Jan Heinisch lebhaft an die Treffen des Stabes in der Feuerwache.
Ebenso wie an die Anrufe vieler besorgter Bürger in jenen Stunden, in denen Verkehrszeichen über die Straßen flogen und Dachpfannen auf die Gehwege knallten. Personenschäden gab es nicht. Dafür unzählige Sachschäden. Mehr als 220 Mal rückten die Kräfte aus. Zu Stromausfällen kam es in Teilen von Isenbügel, Tüschen und im Angertal. Einige Straßen waren zeitweise gesperrt, u.a. zum Klinikum.
„Seit Kyrill haben wir den Stab systematisch weiterentwickelt“, sagt Heinisch. Die entfesselte Naturgewalt habe gezeigt, wie wichtig es sei, gut vorbereitet zu sein. Angeschafft wurden deshalb u.a. ein Notstromaggregat sowie Kettensägen. Und: „Mehr als früher beobachten wir die Wetterentwicklung.“
Fünf Jahre nach Kyrill