Heiligenhaus. .

Tagsüber traut sie im schwarz-weißen Hosenanzug glückliche Hochzeitspaare, stellt Geburtsurkunden aus und kümmert sich um anstehende Wahlen. Abends tauscht Standesbeamtin Kerstin Plambeck schon mal den Hosenanzug gegen einen Nietengürtel und rockt mit der Velberter Band „Recycler“ über die Bühnen der Region.

„Musik ist für mich ein Ausgleich“, sagt Kerstin Plambeck und lächelt zufrieden, „ich kann meine täglichen Sorgen verarbeiten, und sie zeigt eine völlig andere Seite von mir.“ Auf den ersten Blick traut man der Standesbeamtin nämlich nicht unbedingt ein Faible für Rockmusik zu. „Mit 16 habe ich auch Heavy Metal gehört. Und demnächst gehe ich auf ein Rammstein-Konzert – schon zum zweiten Mal.“ Jazz oder Klassik finden sich nicht im CD-Regal von Kerstin Plambeck: „Für mich muss Musik einen guten Beat haben und melodisch sein. Man muss den Bass spüren können.“

Zwölf Jahre ohne Musik

Den Schritt von der leidenschaftlichen Musik-Hörerin zur wahrhaften Musikerin machte sie eher zufällig. Angefangen hat alles in einem zum Studio umgebauten Jugendzimmer. „Jemand aus der Klasse meiner Freundin suchte Sängerinnen für sein Studio, und wir wollten einfach mal wissen, wie es in einem Studio ist“, erinnert sich Plambeck mit einem Lächeln. Und so nahmen vier Mädels ihre ersten Kassetten auf. Während der Ausbildung lernte sie Fritz Kussin von der „Peddy Pellmann“ Band kennen und spielte ihm die Kassette vor. „Als ich 18 wurde, bekam ich die Zusage für die Band ‘Bobo’s Family’.“ Fünf Jahre lang sang Kerstin Plambeck in der Velberter Band (die auch Auftritte in Frankreich und England hatte) und legte dann eine Pause ein. „Zwölf Jahre habe ich in keiner Band gespielt, und die Musik hat mir wirklich gefehlt. Ich wollte immer mehr und mehr Musik machen.“

Ihr Comeback war dann auch eher wieder ein Zufall. Auf einer Tanz-in-den-Mai -Party wurde Kerstin Plambeck von dem Heiligenhauser Tätowierer Semphy Butgereit angesprochen. „Er kam auf mich zu und sagte ‘Du bist meine Rettung’.“ Die Standesbeamtin sprang kurzfristig für den Sänger ein und blieb bei der Band, bis ihr Bruder einen schweren Motorradunfall hatte und sie in dessen Firma aushelfen musste. „Nach anderthalb Jahren habe ich aber wieder angefangen eine Band zu suchen, weil es ohne Musik nicht geht“, sagt Plambeck. Bei der Velberter Cover-Rockband „Recycler“ wurde sie vor zwei Jahren fündig. „Ich habe gedacht, wenn die dich nicht nehmen, dann hörst du ganz auf.“

Gegen das Lampenfieber helfen Spickzettel und ein Bier

Doch die Dame vom Bürgerbüro wurde genommen und hat mittlerweile ein Repertoire von 60 Stücken. „Die Lieder lerne ich ihm Auto. Erst den Refrain und dann die erste Strophe“, verrät Plambeck. Wenn sie dann mit ihrem Hund spazieren geht, lernt sie die Lieder auf dem Papier. Nach anderthalb Tagen sitzt der Song. Und gegen das Vergessen hat die Standesbeamtin auch einen Tipp. „Auf die Setlist schreibe ich mir immer die ersten vier Wörter des Liedes. Obwohl ich das eigentlich nicht brauche.“ Denn Lampenfieber hat sie immer nur, weil „ich Angst habe, Texte zu vergessen“. Doch nicht nur der vorsorgliche Spicker hilft, sondern auch „ein kleines Glas Bier vorher. Aber das machen wir alle“, verrät sie mit einem Schmunzeln.