Heiligenhaus. .

Stehen, Bücken, Tragen; acht Stunden lang, fünf Tage die Woche – der Alltag eines Schlossmachers geht ins Kreuz. „Muskel- und Skeletterkrankungen stehen an oberster Stelle in der Branche“, sagt Andreas Wolter, Betriebsleiter der Firma Wilhelm Schlechtendahl und Söhne (WSS) an der Mozart­straße. Doch wenn’s im Rücken knackt, hakt’s auch bei der Arbeit. Deshalb setzt WSS seit sechs Jahren auf betriebliche Gesundheitsförderung.

Hinter dem bürokratischen Wortungetüm verstecken sich im Fall der Heiligenhauser Firma einige Veränderungen: Wo früher ein Angestellter 30 mal pro Schicht 30 Kilogramm Eisenstangen hoch wuchtete, nimmt ihm jetzt eine Rollenbandwaage die schwere Arbeit ab. Die Werkbänke fertig die Firma heute selber; so kann sich jeder Arbeiter die Höhe individuell einstellen. Eine Kleinigkeit treten die Mitarbeiter mit Füßen: An verschiedenen Stellen liegen vor Fertigungsbändern Matten auf dem Boden. Auf den ersten Blick nichts Besonderes, aber wer schon einmal stundenlang auf nacktem Beton gestanden hat, weiß die unscheinbaren Unterlagen zu schätzen.

25 000 Euro pro Jahr für die Gesundheit der Mitarbeiter

100 Euro kostet eine dieser Matten; bei fast 400 Mitarbeitern läppert sich das. Natürlich fällt in der Schlösserfabrik auch einiges an sitzender Arbeit an, außerdem haben nicht alle Mitarbeiter auf einmal den Weichtreter bekommen. Trotzdem investiert WSS laut Wolter jedes Jahr etwa 25 000 Euro in die Gesundheit seiner Angestellten.

Wie viel von dieser Summe zurück fließt, lässt sich nicht genau beziffern. Die Zielvorgabe des Unternehmens nennt deshalb keine Zahlen: „Wir möchten unseren Krankenstand herunterkriegen“, gibt Wolter vor. Die Rechnung ist aufgegangen: „Der Langzeitkrankenstand ist durch die betriebliche Gesundheitsförderung um einen Prozentpunkt zurückgegangen“, bilanziert der Betriebsleiter. Der Bundesdurchschnitt betrug in den letzten Jahren je nach Monat zwischen drei und fünf Prozent, Tendenz seit Jahren steigend. „Eine hohe sechsstellige Summe“ kosten Wolter seine Kranken jedes Jahr.

Geschäftsmodell Gesundheitsförderung

So ist aus der altruistisch anmutenden betrieblichen Gesundheitsförderung längst ein Geschäftsmodell geworden, von dem Firma und Angestellte profitieren. Wolter deutet auf einen der neuen Arbeitsplätze: Heute steht der Mitarbeiter nicht mehr, sondern sitzt, eine Fußbank sorgt für eine entlastende Haltung, Schrauben und weitere Teile für die Montage liegen in unmittelbarer Griffreichweite, selbst ein Kaffeebecherhalter fehlt nicht. Der Betriebsleiter sieht den Komfort pragmatisch: „Er hat das – und ich habe ein paar Teile mehr Output in der Stunde.“

Gesundheit und Geschäft gehen bei WSS weiter Hand in Hand. Die nächste Änderung steht am 1. August an: Ab diesem Datum ist die Firma rauchfrei. Doch auch das ist nur eine weitere Kleinigkeit auf einem langen Weg. Wolter: „Es geht immer weiter.“