Er gesteht „Fehler“ ein, spricht von „hoher Belastung“ und verzichtet auf seinen Doktortitel: Seit Tagen bewegt Karl-Theodor zu Guttenbergs zweifelhafte Promotion die Republik. Der Verteidigungsminister muss sich selbst verteidigen – zuletzt am Mittwochmittag im Bundestag. Und er sorgt für Diskussionsstoff. Nicht nur an den lokalen Stammtischen.

„Ich kann mir nur vorstellen, dass es bei ihm unter selbst auferlegtem Zeitdruck zu mangelnder Sorgfalt gekommen ist“, sagt Daniel Goebel. Für die Heiligenhauser CDU sitzt der 32-Jährige im Rat der Stadt – als wissensc­haftlicher Mitarbeiter der Universität Düsseldorf (Fachbereich Betriebswirtschaft) schreibt er derzeit an seiner eigenen Dissertation. Sie hat die „Bankenregulierung“ zum Thema und soll 2012 zum Doktortitel führen.

Plagiatsproblematik ist latent immer vorhanden

Anders als Karl-Theodor zu Guttenberg profitiere er davon, dass er die Promotion als fest angestellter Mitarbeiter der Uni angehen könne: „Alles, was ich hier mache, hat auch mit meiner Dissertation zu tun“, sagt Goebel, der selbst Vorlesungen hält und an Forschungsprojekten beteiligt ist. „Ideal“ seien diese Voraussetzungen. Und dennoch glaubt Goebel: „Die Plagiatsproblematik schwebt latent immer über ­solchen wissenschaftlichen Arbeiten.“ Die Angst davor, aus Unachtsamkeit oder unter Druck nach dem langwierigen Sammeln von Fakten, Artikeln und Publikationen schließlich bei der eigenen Argumentation und Überarbeitung Fehler zu machen, Fußnoten zu vergessen, beschleiche einen schon beim Diplom. Eine Problematik, die Goebel inzwischen aber auch von der anderen Seite kennen gelernt hat: Als wissenschaftlicher Mitarbeiter hat er selbst schon rund 20 Abschlussarbeiten betreut und geprüft.

Seit 2004 hat der Heiligenhauser Bürgermeister Dr. Jan Heinisch den Titel vor seinem Namen. „Ich habe hart daran gearbeitet und dafür gekämpft“, sagt der CDU-Politiker im Rückblick auf das Mammutprojekt „Doktortitel“. Mit summa cum laude und einem Preis für die beste Dissertation des Jahres an der juristischen Fakultät der Uni Düsseldorf hat Dr. Jan Heinisch promoviert. Sein Thema „Wohnraummiete im politischen System von BRD und DDR“ beleuchtet die Auswirkungen sozialistischer Ideologie auf dieses Rechtsgebiet. Eineinhalb Jahre habe er an seiner Doktorarbeit geschrieben und der 34-Jährige macht keinen Hehl daraus, dass er auch stolz auf das Ergebnis ist. Schummeln bei der Dissertation, gar einen Ghostwriter beauftragen? Das sei ihm nicht in den Sinn gekommen.

„Ich habe hart daran gearbeitet“

Als der Verteidigungsminister und Parteikollege mit seinem Doktortitel in die Schlagzeilen geriet, sei sein erster Gedanke gewesen, dass es sich um „eine Kampagne gegen die Person zu Guttenberg“ handele. Bewerten will Dr. Jan Heinisch dessen mögliche Fehler indes nicht: „Ich hab’ mich inhaltlich nicht damit beschäftigt.“ Anders als die Internetgemeinde: Täglich tauchen online neue Zitatstellen aus zu Guttenbergs juristischer Dissertation auf, die er abgeschrieben haben soll, statt sich eigene Gedanken zu machen. Für Dr. Heinisch undenkbar: „Es geht um eine eigene wissenschaftliche Leistung!“ Das lernten Studenten schon bei Haus- und Seminararbeiten. Man müsse „höllisch aufpassen“, wenn es um die Verwendung anderer Quellen geht.

Unter den Juristen seien Doktoren eher die Ausnahme, „größere Kanzeleien legen allerdings Wert darauf“. Denn eine Doktorarbeit gelte landläufig als Referenz „für Disziplin und Durchhaltevermögen“. Auch er selbst habe sich durch sein Thema durchgebissenen, „für mich war das Teil der Ausbildung“. Relevanz habe der Titel „Dr.“ für ihn vor allem im Wahlkampf bekommen: „Da war er schon wichtig, denn ich war ja erst 27“, erinnert Dr. Heinisch. „Das war damals auch eine Frage der Autorität.“

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Freiherr zu Guttenberg will fortan auf seinen Titel verzichten. Reicht das als Konsequenz für den hochrangigen Parteikollegen? „Allemal!“, sagt Dr. Jan Heinisch. Rücktrittsforderungen hält er in diesem Fall für überzogen: „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen“, findet er und erinnert daran, das es schon brisantere Affären in der Politik gegeben habe.

Einen Rücktritt zu Guttenbergs hält auch Daniel Goebel nicht für angezeigt: Der Doktortitel habe ja nichts mit dem Ministeramt zu tun. „Mit der Brille des Wissenschaftlers gesehen“ sei die Sache indes „nicht verzeihlich“.