Heiligenhaus. Die Stadtwerke Heiligenhaus erhöhen zum neuen Jahr ihre Gaspreise. Die befinden sich auf einem historisch hohen Niveau – aus mehreren Gründen.
Wenn es nach Michael Scheidtmann ginge, könnten die derzeit außergewöhnlich milden Temperaturen über die nächsten Monate andauern: „Ich hoffe auf einen warmen Winter, das wäre eine Entlastung und ein Signal für den Markt.“ Der Geschäftsführer der Stadtwerke Heiligenhaus sorgt sich um die unerwartet stark gestiegenen Gaspreise: „Das ist ein historisch hohes Niveau, dass hätten wir vor einem Jahr alle nicht geglaubt, dass sich die Preise so entwickeln“, staunt der Chef des kommunalen Energieversorgers.
Scheidtmann schildert die vielfältigen Gründe für den explosionsartigen Anstieg: „Der Winter war recht kalt, vor allem noch mal der April. Gleichzeitig waren die Gasspeicher relativ leer, in China und in Gesamtasien zog die Konjunktur nach der ersten Coronawelle stark an, die Nachfrage nach Steinkohle und Gas ging durch die Decke, gleichzeitig kam kein Flüssiggas nach Europa, alles ging nach Asien, das was ein ganz großer Preistreiber.“
Heiligenhauer Stadtwerke decken sich mit viel Vorlauf ein
Hinzu sei gekommen, so Scheidtmann, dass 2021 ein Jahr mit wenig Wind war, „Kohle und Gas musste einspringen. Diese steigende Nachfrage nach Gas hat die Preise nach oben getrieben. Die Diskussion um Nordstream II war sicher auch ein Faktor der steigenden Gaspreise. Schließlich ist Gas ein Produkt, das an der Börse gehandelt wird, was auch eine Rolle spielt.“
Derzeit sieht Michael Scheidtmann kein Zeichen für eine kurzfristige Entspannung. „Langfristig wird sich der Gaspreis wieder normalisieren“, so die Hoffnung des Fachmanns, der sich allerdings ziemlich sicher ist, dass die Preise nicht wieder auf das Niveau sinken, das vor der plötzlichen Erhöhung herrschte. Alle Stadtwerke decken sich auf dem Terminmarkt mit einem großen zeitlichen Vorlauf ein. „Für 2021 haben wir in 2019 angefangen einzukaufen, der Energiedienstleister Quantum in Ratingen, dem 14 weitere Stadtwerke angehören, erledigt das für uns“, gibt Michael Scheidtmann einen Einblick in den Ablauf des Geschäftes. „Wir sind dadurch wahrscheinlich nicht die Günstigsten, aber wir stehen auch nicht wie ein begossener Pudel da und müssen zum ungünstigsten Zeitpunkt einkaufen.“
Billiganbieter haben in den letzten Wochen ihren Betrieb eingestellt
2019 bewegte sich der Preis für eine Kilowattstunde noch bei zwei Cent, kurz vor Weihnachten lag er bei 14 Cent. Inzwischen befindet sich der Preis am Terminmarkt bei zehn Cent. Da Billiganbieter im Gasgeschäft keine Sicherheiten für die langfristigen Kontrakte vorweisen können, haben sie keinen Zugang zum Termingeschäft und bedienen sich auf dem Spotmarkt ein. „Das ist weit von dem entfernt, was sie jetzt von ihren Kunden bekommen. Viele haben ihren Betrieb deshalb in den vergangenen Wochen einfach eingestellt, die betroffenen Verbraucher fallen in die Grundversorgung.“
Die Stadtwerke Heiligenhaus, die rund 3500 Privathaushalte versorgen, hatten ihren Bedarf geordert. Nun müssen für die jetzt 100 neue hinzugekommenen Kunden in der Grundversorgung noch einmal drei Millionen Kilowattstunden zusätzlich eingekauft werden. „Da können wir nicht den gleichen Preis wie für die Bestandskunden machen“, so Scheidtmann und stellt die Vorteile der langfristigen Einkaufsstrategie heraus: „Hätten wir uns für die bisherigen Kundschaft nicht eingedeckt, dann wäre der Preis um 100 Prozent und mehr gestiegen. So hält es sich noch im Rahmen.“
Das sind die Kosten
Bestandskunden zahlen neben dem jährlichen Grundpreis von 154 Euro derzeit 8,044 Cent pro Kilowattstunde, Neukunden zahlen bei gleichem Grundpreis mit 14,6 Cent für die Kilowattstunde erheblich mehr. Beim Blick in das Internetvergleichsportal Verivox stellen der Stadtwerke-Chef Prokurist Lars Bleibtreu fest, dass dort die preiswertesten Anbieter dennoch drüber liegen.
>>> Gift für Volkswirtschaft
Michael Scheidtmann macht sich ernsthaft Sorgen um die steigenden Gaspreise: „Für Haushalte mit geringem Einkommen ist das eine enorme Belastung.“
Die Auswirkungen auf Industriebetriebe sind ebenso erheblich: „Das ist Gift für die Volkswirtschaft.“