Heiligenhaus. Nichts darf stattfinden - für Vereine eine große Herausforderungen. Wie gehen sie damit um, was bieten sie dennoch an? Neue WAZ-Serie.

Die Corona-Pandemie hat die Welt 2020 erschüttert - und auch 2021 geht die Krise weiter. Diverse Branchen stehen vor neuen, ungeahnten Herausforderungen. So auch der Sport mit seinen Vereinen, egal ob in Richtung Breiten- oder Spitzensport orientiert. Während nach dem ersten Lockdown über den Sommer bis in den Herbst hinein Fitnessstudios wieder geöffnet hatten und auch Mannschaftssportarten mit gewissen Auflagen wieder erlaubt waren, ist nun seit Ende Oktober wieder Schluss mit sportlichen Aktivitäten. In dieser Serie beleuchten wir die momentane Situation von ortsansässigen Vereinen. Wie geht es den Sportlern? Welche Ersatzprogramme gibt es? Und eine ganz entscheidende Frage: Kann das Bestehen finanziell gesichert werden?

Für die erste Folge der Serie haben wir mit Axel Spitzer geredet. Er ist Geschäftsführer der Velberter SG, einem der beiden Trägervereine der Handballspielgemeinschaft HSG Velbert/Heiligenhaus. Er berichtet von Zoom-Trainings der Handballer, seiner Sorge vor einer einsetzenden Bequemlichkeit und treuen Mitgliedern.

Betreuung der Jugend ist größtes Problem

"Die sportliche Betreuung der Jugend ist momentan das größte Problem, finde ich", erzählt Spitzer. Eine lückenlose athletische, technische sowie mannschaftstaktische Ausbildung im Jugendalter sei der wichtigste Grundstein für eine erfolgreiche und vor allem erfüllende Senioren-Zeit im Handballsport.

Aus diesem Grund hat sich die HSG etwas für seine Nachwuchshandballer überlegt: "Wir bieten online Inhalte aus der Ausbildung des Deutschen Handballbundes an. Dabei achten wir natürlich darauf, dass die Übungen alleine und in den eigenen vier Wänden durchführbar sind", berichtet Axel Spitzer. Beispielhaft ist hier das bekannte Lauf-ABC anzuführen, dass Jugendhandballer auch im Regelbetrieb begleitet und ein wichtiger Bestandteil der sportlichen Ausbildung ist.

Trainer bieten Übungen bei Zoom an

Doch Spitzer weiß auch: Ein echtes Training - oder noch besser, ein Spiel - kann man durch solche Programme nicht ersetzen. "Ballübungen zu Hause sind schwierig, Alternativen wie Krafttraining oder eben das Lauf-ABC können da vor allem vom Spaß-Faktor nicht mithalten", erklärt Spitzer.

Bei der HSG werden die Jugendmannschaften von ihren jeweiligen Trainern mit Übungen versorgt und über Zoom unterstützt, angeleitet und motiviert. Trotzdem müsse man der Realität ins Auge blicken: Junge Kinder und Jugendliche zu motivieren, sich mehrmals in der Woche mit einer Matte vor den Computer zu begeben und Übungen durchzuziehen, sei eine Herkulesaufgabe.

Gruppenerlebnis spielt große Rolle

Gerade in Mannschaftssportarten wie Handball spiele die Kameradschaft und das Gruppenerlebnis eine erhebliche Rolle - für viele Sportler sei dies ein Hauptgrund, sich für diesen Sport zu entscheiden und lange dabeizubleiben. Egal, wie effektiv beispielsweise Liegestütz oder Sit-Ups auch im heimischen Wohnzimmer sind - es werde immer mehr Spaß machen, im Kreis der Kumpels ein schönes Tor zu werfen und gemeinsam zu feiern.

Axel Spitzer erkennt hier ein mögliches Risiko: "Durch Corona setzt glaube ich generell eine gewisse Bequemlichkeit ein, das ist bei uns im Verein nicht anders. Die Frage ist: Raffen sich alle Jungs und Mädels wieder auf oder merken viele, dass es auf der heimischen Couch mit gelegentlichen Spaziergängen durch den Park doch nicht so schlecht ist?" Dies sei allerdings keine Sorge, die nur die HSG betreffe, sondern könnte zu einem vereins- und sportartengreifenden Problem werden.

"Rechne nicht mit Training vor Ostern"

Doch wie geht es überhaupt weiter? Wann wird man wieder Bälle durch die Hallen fliegen sehen? Eine seriöse Prognose sei hier sicher schwierig, für Spitzer steht allerdings fest: "Ich halte die Wiederaufnahme des Trainings erst nach Ostern für realistisch. Dann muss man abwägen, in welchen Altersklassen es noch sinnvoll ist, die Saisons durchzuziehen beziehungsweise in abgewandelter Form zu beenden. Wir richten uns selbstverständlich nach dem Verband - auf eine Fortsetzung der Saison würde ich zum jetzigen Zeitpunkt eher nicht wetten."

Der angesprochene zuständige Verband ist der Handballverband Niederrhein. Dessen Konzept für einen Wiedereinstieg in den Spielbetrieb stößt Spitzer allerdings sauer auf: Mit lediglich vier Wochen Vorlauf soll es reingehen in Spiele mit Vollgas und Vollkontakt.

Axel Spitzer erkennt hier ein großes Risiko: "Durch das lange Ausbleiben von handballspezifischen Bewegungen ist die Muskulatur nicht mehr so vorhanden wie vorher, ein vollständiger Wiederaufbau dauert definitiv länger als vier Wochen." Seine Sorge: Geht es zu schnell wieder hinein in Meisterschaftsspiele, steht der Sport vor einer großen Verletzungswelle.

Mitglieder bleiben der HSG treu

Bei allen Sorgen kann man sich bei der HSG jedoch über eine treue Mitgliederbasis freuen. Es gibt nicht übermäßig viele Abmeldungen, die betreffenden Zahlen liegen im normalen Bereich. Problematisch jedoch: Ohne ein aktives Sportangebot gibt es keine Basis für Neuanmeldungen. Dauert der Lockdown weiter an, wird sich an dem Negativtrend nichts ändern.

Die HSG ist ihren Mitgliedern allerdings finanziell entgegengekommen: "Wir haben den Beitrag auf den in der Satzung festgelegten Grundbeitrag gesetzt, unter den könnten wir rein rechtlich nicht gehen. Jedoch fällt der abteilungsspezifische Zusatzbeitrag für die Mitglieder weg - denn Zusatzkosten wie etwa Schiedsrichterhonorare müssen wir momentan ja nicht zahlen."

Es bleibt zu hoffen, dass in Velbert und Heiligenhaus bald wieder der Ball fliegt - und die heimische Couch bei nicht zu vielen Sportlern zu gemütlich ist.

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