Vier Bürgermeister, vier unterschiedliche Amtszeiten: Wie es ist, Bürgermeister in Heiligenhaus zu sein, wissen diese Personen alle.

Wie viel Wert hat eine einzelne Stimme? Es kommt darauf an, wessen Stimme es ist, und die des Bürgermeisters, die hat doch sicher mehr Gewicht – oder? Ob es nun Peter Ihles Stimme war, die 1979 mit dafür sorgte, dass Helga Schniewind bislang einzige Frau im Amt des Bürgermeisters in Heiligenhaus und einzige Amtszeit für die FDP sein sollte, oder ihre eigene – das wissen auch Jan Heinisch und Michael Beck nicht. Was jedoch alle wissen: Wie es ist, Bürgermeister in Heiligenhaus zu sein. WAZ-Redakteurin Katrin Schmidt im zweiten Teil des großen Bürgermeister-Interviews.

Inwieweit hat sich die Veränderung der Gesellschaft auch auf das Amt des Bürgermeisters ausgewirkt?

Der ehemalige Bürgermeister Peter Ihle.
Der ehemalige Bürgermeister Peter Ihle. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Peter Ihle: Man muss als Bürgermeister lernen, auch mal die Faust in der Tasche zu halten. Ein dickes Fell kriegt man nach einer gewissen Zeit, wenn man es nicht schon hatte und man muss immer Ruhe bewahren. Man geht in dem Amt durch eine gewisse Schule.

Jan Heinisch: Es ist ja einmal der Ton im Rat, der auch zu meiner Amtszeit von einigen nicht angemessen war. Da hat man sich manchmal gefragt: Was soll das? Doch heute, muss man auch sagen, kommt die schärfte Kritik nicht im persönlichen Austausch, sondern über Social Media.

In Ihrer Amtszeit gab es ja sogar mal eine konkrete Gefahrensituation. Es wurde da auch eine Sicherheitstür installiert.

Heinisch: Ja, es gab eine konkrete Bedrohung, da ist man schon ein Stück weit erschüttert im Innersten, dass man zur Zielscheibe eines offenbar psychisch kranken Menschen wird. Man kann sich ja inhaltlich streiten, aber jemanden wirklich tätlich angreifen, ist eine andere Lage. Zu der Zeit hatte es auch einen schlimmen Vorfall in Frankreich gegeben, da ist man schon anders unterwegs. Ansonsten, ja, man braucht für jedes öffentliche Amt eben ein dickes Fell. Es gab auch mal ein Graffiti meine Person betreffend, das sind schon Tiefpunkte und Erfahrungen, die man als Politiker nicht machen möchte.

Beck: Ich finde es schon sehr erschreckend, wenn man sieht, was im Bereich Social Media passiert und dass man sich hinter einer Anonymität verstecken kann. Deswegen bediene ich diese Kanäle nicht, anders als mein Vorgänger, der das intensiv nutzt. Ich habe mich mit meiner Familie beraten und mit meinen Kindern drüber gesprochen. Es ist doch schöner, wenn man Dinge bewegen kann und in der realen Praxis erfolgreich ist und etwas für die Stadt erreicht. Das ist ein befriedigender Moment.

An was können Sie sich erinnern aus Ihrer Amtszeit, auf das Sie stolz sind?

Dr. Jan Heinisch ist nun Staatssekretär im NRW-Heimatministerium.
Dr. Jan Heinisch ist nun Staatssekretär im NRW-Heimatministerium. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Heinisch: Man darf nie vergessen, das Bürgermeisteramt führt man aus Leidenschaft, denn man ist das eben nur für eine ganz bestimmte Zeit, in der man selber etwas verwirklichen kann, was auch später mal zählt. Dann ist es auch egal, wenn man spät Nachts noch an seinem Schreibtisch sitzt oder bei Sitzungen oder Veranstaltungen. Alles, was man erreicht, erreicht man ja auch nicht alleine, sondern als Team. Und da hatte man auch tolle Erlebnisse, für mich war ein Highlight meiner Amtszeit sicher der Panoramaradweg. Da habe ich gesehen, da gibt es eine Chance, was zu machen. Und dann ging die Arbeit los, auch beim Thema Umgehungsstraße.

Schniewind: Ein Höhepunkt war sicherlich die Errichtung der neuen Feuerwache. Schöne Momente waren für mich, wenn ich eine Rede hielt, die gut ankam. Denn man muss sagen, ich habe mir meine Reden nicht schreiben lassen, sie stammten alle aus meiner Feder. Ich habe auch gerne Gedichte eingebracht, wenn es passte. Der schlimmste Moment meiner Amtszeit war jedoch, dass ich eine Trauerrede auf Dr. Klein halten musste – genau am ersten Todestag meines Mannes.

Ihle: Als ehrenamtlicher Bürgermeister war man ja früher schnell vergessen. Das war bei Helga Schniewind nie der Fall. Sie war zu einer Zeit Bürgermeisterin, als es fünf im Kreis gab – aber sie wird immer noch erkannt, obwohl sie nur ehrenamtlich tätig war.

Heinisch: Also ich muss jetzt mal betonen, dass es schon eine gigantische Arbeit war, die die ehrenamtlichen Bürgermeister geleistet haben. Wir haben doch mehr Freiheiten, wir werden dafür bezahlt, es ist unser Job, wir können auf den Verwaltungsapparat zurückgreifen. Das ging bei den Ehrenamtlichen nicht: Sie haben den Job parallel zu ihrem eigenen Beruf ausgeführt, und mussten auch noch das Familienleben vereinbaren.

Die ehemalige Bürgermeisterin Helga Schniewind.
Die ehemalige Bürgermeisterin Helga Schniewind. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Schniewind: Ja, die Familie muss schon mitspielen, wenn man Bürgermeister ist.

Ihle: Aber immerhin hatten wir auch unser eigenes Büro.

Was sind denn Ihre Wünsche für die Stadt Heiligenhaus?

Ihle: So ganz kann man ja nicht lassen, wenn man einmal aktiv war. Ich kann mich nicht vom Helfen lösen. Und ich bin hier in Heiligenhaus auch nicht wegzudenken, biete immer noch einiges an, auch, wenn meine Familie mich gerne bei sich hätte. Ich liebe die Stadt und will mich auch zu ihrem Wohle einsetzen. Übrigens: Was mir auch nicht gefällt, ist, dass der Radweg auf der Hauptstraße gegenläufig ist. Das ist für alle Verkehrsteilnehmer oft gefährlich, sowohl für die Radler, als die Autofahrer und die Fußgänger.

Heinisch: Ich lese zu viel, dass jemand gegen etwas ist. Dabei hat doch jeder einzelne es selber in der Hand, Heiligenhaus positiv nach vorne zu bringen anstatt sich an Dingen abzuarbeiten. Krisen bieten auch immer neue Chancen.

Beck: Wir brauchen Zuversicht und Mut, aber Heiligenhaus ist auf einem guten Weg.

Schniewind: Es soll friedlich bleiben.