Die Grünen wurden drittstärkste Kraft bei der Kommunalwahl in Heiligenhaus. Nun denken sie bereits an die Zukunft – mit konkreten Zielen.

Auch wenn die CDU die meisten Stimmen bei der Kommunalwahl holen konnte, als Wahlsieger fühlen konnten sich die Heiligenhauser Grünen ebenfalls: Als drittstärkste Kraft können sie mit insgesamt sechs Mitgliedern in den Rat einziehen. WAZ-Redakteurin Katrin Schmidt sprach mit Vanessa Henkels und Kai-Arndt Doth, die gemeinsam die Fraktion führen wollen.

Frau Henkels, Herr Doth, die Grünen erleben deutschlandweit derzeit ja einen Boom. War Ihnen klar, dass Sie bei der Kommunalwahl so gut abschneiden könnten?

Kai Doth: Der Bundestrend gab uns natürlich Grund zur Annahme, dass es auch hier in Heiligenhaus gut laufen könnte. Es sind zwischen 2018 und 2019 viele Neumitglieder unserem Ortsverband beigetreten, die sich aktiv einbringen wollten.

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Vanessa Henkels: Für uns lief die Wahl natürlich sehr gut. Wir haben über 16 Prozent der Stimmen geholt, sechs Prozent waren es bei der letzten Kommunalwahl. Das sind zehn Prozent Zuwachs. Wir konnten dieses Mal allerdings auch alle Wahlkreise besetzen. Wir haben uns als junges Team zwar erstmal zusammenfinden müssen, viele von uns mit kaum Wahlkampferfahrung. Und dann mussten wir diesen auch noch unter Corona-Bedingungen führen. Aber ich glaube, das ist uns gut gelungen.

Große Freude am Wahlabend bei den Grünen.
Große Freude am Wahlabend bei den Grünen. © FUNKE Foto Services | Ulrich Bangert

http://Heiligenhauser_WAHL-Fraktion_will_nachhaltigere_Politik{esc#230632322}[news]Doth: Man muss dazu sagen, Heiligenhaus ist kein so einfaches Pflaster. Es gibt viele Parteien, und wir haben eine große thematische Schnittmenge mit der WAHL und somit eine ähnliche Wählerschaft. Mit den 16,1 Prozent sind wir sehr zufrieden. Uns hätte es natürlich noch mehr gefreut, noch vor der SPD zweitstärkste Partei im Rat zu werden.

Welche Themen waren den Heiligenhauser Bürgern im Wahlkampf denn besonders wichtig?

Henkels: Der Klimaschutz steht natürlich an erster Stelle. Bei diesem Thema muss man lokal anfangen, wenn man im Großen etwas erreichen will. Wir können hier vor Ort viel umsetzen. Ein weiteres Thema, auf das wir oft angesprochen wurden, ist der Bereich Bürgerbeteiligung und Transparenz. Viele Bürgerinnen und Bürger halten sich für nicht gut informiert seitens der Stadt und Verwaltung und fordern eine bessere Kommunikation. Sie beschwerten sich über eine schlechte Erreichbarkeit der Verwaltung und darüber, dass sie über Baumaßnahmen in ihrem Wohnumfeld nicht informiert wurden. Außerdem war natürlich das Heljensbad ein Thema. Die meisten wollen keine Standortverlagerung, wie sie zumindest anfangs von der CDU ins Spiel gebracht wurde. Und dem Freibad soll auch keine Flächen weggenommen werden.

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Doth: Das Thema Fluglärm hat natürlich auch viele Heiligenhauser getriggert. Vor allem jetzt in der Pandemie, wo die Anzahl der Flüge deutlich reduziert wurde, fällt vielen auf, wie leise es plötzlich ist. Ansonsten war die Reaktion der Heiligenhauser auf uns am Wahlkampfstand durchweg positiv.

Uns wurde oft gesagt, endlich mal mehr Grüne und neue Gesichter.

Henkels: Im größeren Team, das wir nun sind, konnten wir auch viel mehr Präsenz zeigen.

Wie wollen Sie denn nun grüne Politik einbringen?

http://Grüne_setzten_auf_ökologische_Kompetenzen{esc#230418642}[news]Doth: Wir haben viele Ansatzpunkte. Der Klimaschutz ist natürlich von zentraler Bedeutung. Wir wollen, dass unsere Stadt klimaneutral wird. Jetzt heißt es handeln, nicht zögern. Dafür hat die Grünen-Fraktion auch schon in den letzten Jahren gekämpft. Mit nur zwei Fraktionsmitgliedern war aber vieles einfach nicht möglich. Wir müssen zudem die Mobilitätswende voranbringen und die Radwege dringend ausbauen. Wie das funktionieren kann, sieht man am Kreisverkehr Oberilp: Radwege bei der Verkehrsplanung zu berücksichtigen und Straßen radfreundlich umzubauen, haben wir in der letzten Legislaturperiode immer wieder beantragt.

Henkels: Wer in Heiligenhaus Fahrrad fährt, der kennt einige Strecken, die für Radfahrer quasi ein „No Go“ sind, zum Beispiel an der Westfalenstraße oder am Südring. Wenn da die Lkw schnell an einem vorbeifahren, ist das kein schönes Erlebnis. Das könnte besser gehen. Auch beim Innovationspark frage ich mich, warum man hier bei der Wegeplanung nicht an den Fahrradverkehr denkt.

Doth: Weitere Themen für uns sind zum Beispiel der Ausbau von Photovoltaikanlagen und der generelle Energieausbau. Alle städtischen Gebäude sollten als gutes Beispiel dienen und damit ausgestattet werden. Der Stadt sollte eine Vorreiterrolle annehmen, damit Privathaushalte auch mit einsteigen.

Thomas Pischke sorgt nicht nur bei den Grünen für Kreativität. Hier besprühte er ein Wahlplakat neu.
Thomas Pischke sorgt nicht nur bei den Grünen für Kreativität. Hier besprühte er ein Wahlplakat neu. © FUNKE Foto Services | Ulrich Bangert

Henkels: Es gibt bereits sehr gute Vorschläge, die auch vorgestellt und in einem eigenen Kreis erarbeitet wurden, an dem alle Parteien teilgenommen haben. Aber das muss noch intensiviert werden. Es muss andere Vorgaben für Neubaugebiete geben. Und auch das Thema Schotter- und Steinvorgärten werden wir noch mal aufgreifen: Denn andere Städte machen es bereits vor, dass man diese verbieten kann.

Mit der Konstellation im Rat tun sich ja auch für Sie neue Optionen auf. Rechnen Sie sich nun höhere Chancen ein, Ihre Ideen erfolgreich anbringen zu können?

Henkels: Die neuen Mehrheiten könnten dafür sorgen, dass der Rat deutlich bessere Entscheidungen trifft.

Doth: Im Rat sind verkrustete Strukturen vorhanden. Wir hoffen auf eine bessere Zusammenarbeit aller Fraktionen und das man gemeinsam etwas bewegen können.

Eine gute Zusammenarbeit, das wird die anderen Fraktionen freuen, die im letzten halben Jahr deutlich Ihren Frust über die bisherigen Grünen-Ratsmitglieder zum Ausdruck gebracht haben. Alle betonen nun, dass sie froh sind über den personellen Wechsel. Darf man also davon ausgehen, dass Ihre Fraktion anders arbeiten wird?

http://Bündnis_90/Die_Grünen-_Heiligenhaus_muss_bunter_werden{esc#230356234}[news]Doth: Wir haben absolut den Willen, mit allen zusammenzuarbeiten. Wir sprechen mit allen Fraktionen. Und dann müssen wir gucken, ob wir die PS auch auf die Straße kriegen (lacht).

Henkels: Die Mehrheitsverhältnisse sind spannend. Wir reden mit allen und sind gespannt, wie die anderen Fraktionen auf uns zugehen, aber wir wollen dem Ganzen natürlich auch unseren Stempel aufdrücken.

Am 4. November konstituiert sich der Rat. Auf was freuen Sie sich nun am meisten?

Henkels: Wir können endlich Sachpolitik machen! Bislang haben wir ja nur Wahlkampf gemacht und als sachkundige Bürger in den Ausschüssen gearbeitet. Unsere Mitglieder sprudeln vor Ideen. Wir sind sehr gespannt, was wir davon wie umgesetzt bekommen.

Welche Bereiche werden in den nächsten fünf Jahren von Ihnen noch in Angriff genommen?

Doth: Die Sozialpolitik liegt uns natürlich am Herzen, vor allem die Arbeit für und mit Jugendlichen, gerade in der Coronakrise. Denn viele wissen nicht, was sie machen sollen. Der Club ist da bei vielen gar nicht im Fokus. Außerdem fehlt bezahlbarer Wohnraum und wir müssen uns fragen: Wie bauen wir in Zukunft? Da muss ein ökologischer Ansatz bei jeder Quartierentwicklung eine Rolle spielen.

Henkels: Auch die Entwicklung der Innenstadt ist natürlich eine zentrale Frage. Das Einkaufszentrum wird erstmal wie ein Magnet anziehen. Die Apotheke wechselt ja nicht ohne Grund ihren Standort. Aber die Ladenlokale, die dann entlang der Hauptstraße leer stehen werden, muss man wieder mit Leben füllen. Es ist eine schwierige Situation, auch schwierig für neue Gastronomie.

Doth: Und man sollte auch mal mit der in Heiligenhaus doch noch sehr konventionell geprägten Landwirtschaft ins Gespräch kommen, ob es nicht Sinn macht, mehr auf Bio zu setzen. Hier lesen Sie weitere Nachrichten aus Heiligenhaus.