Heiligenhaus. Rolf Watty berichtete im VHS-Erzählcafé über seine spektakulärsten Fälle als Richter.

Hoch spannend – wie ein Krimi: Rolf Watty war zu Gast im Erzählcafé der VHS. Der ehemalige Richter am Landgericht Wuppertal berichtete von seinem außergewöhnlichen Lebenslauf und gab den Gästen einen Einblick in seine größten und spektakulärsten Prozesse.

Von Verbrechern und Gräueltaten hören die meisten Menschen nur aus Funk und Fernsehen. Herausragende Fälle füllen für eine Zeit lang die Titelblätter der Zeitungen, sind in aller Munde, bis die Gesellschaft das Interesse daran wieder verloren hat. Bei Rolf Watty war das eine lange Zeit anders: Als Vorsitzender der Schwurgerichte am Landgericht Wuppertal war er bei etlichen bekannten Fällen hautnah dabei.

Und nicht nur das: Es war an ihm, über Recht und Unrecht zu entscheiden, das Strafmaß der Angeklagten zu bestimmen, die Verbrechen bis ins kleinste Detail zu untersuchen. Dass diese Aufgabe spannend ist, kann man sich denken. Doch wie spannend Wattys Beruf wirklich war, ließ sich bisher nur erahnen. Rund 200 Fälle bearbeitete der heute 74-Jährige im Laufe seiner Amtszeit. Und „jeder war ein eigener Krimi”, meint er.

Eines der bekanntesten Beispiele: Der Fall Michaela Roeder. Der Prozess gegen die Wiener Krankenschwester erregte 1989 großes Aufsehen – und zwar auf der ganzen Welt. Dem „Todesengel”, wie man die damals 30-Jährige in den Medien getauft hatte, wurde vorgeworfen, 17 Patienten mit Hilfe eines gespritzten Medikamentes ermordet zu haben. Und während die Zeitungen schon zu Beginn des Prozesses die Frau als kaltblütige Mörderin abgestempelt hatten, war es an Rolf Watty und seinen Kollegen, die Wahrheit samt Motiven, Hintergründen und sozialen Aspekten herauszufinden.

Noch viele weitere große Fälle hatte der Richter zu bearbeiten. Und dabei erfuhr er oftmals Dinge, die die Vorstellungskraft eines normalsterblichen Menschen wohl übertrifft. „Ich habe Untiefen im Menschen kennen gelernt, die ich im Alltag niemals vermutet hätte”, bestätigt Watty. So deckte der heutige Heiligenhauser grauenvolle Taten auf, saß Mördern und Missbrauchern mit unvorstellbaren Motiven gegenüber. Wie Mosaiksteinchen rekonstruierte Watty die Verbrechen, musste oftmals einige „dicke Lügengerüste” durchbrechen, erinnert er sich. Was er durch die vielen Ermittlungen lernte: „Der Lebenslauf vieler Verbrecher erklärt das spätere Verbrechen, läuft quasi darauf hin.” Denn soziale Herkünfte sowie das gesamte Umfeld spielen eine Rolle. „So fragte ich mich manchmal: Habe ich eigentlich den richtigen Verbrecher vor mir? Oder sollte auf dem Platz die gesamte Gesellschaft sitzen?”

Ob sich die spannenden Prozesse auf die Persönlichkeit des Richters ausgewirkt haben? „Jeder Beruf verändert einen Menschen”, erklärt Watty die Schultern zuckend, „in meinem braucht man einfach ein dickes Fell.”

Nicht nur die Fälle und die Menschen machten die Erzählung des ehemaligen Anwalts spannend. Auch seine Einsätze im Ausland sowie seine große Verantwortung als Richter und die Tücken in Verhandlungen waren höchst unterhaltsam, verursachten nicht selten Kopfschütteln bei den Besuchern. Ein Nachmittag – wie ein Krimi.