Heiligenhaus. Das Immanuel-Kant-Gymnasium in Heiligenhaus testete mehrere Monate ein spezielles Türschließsystem. Mit dessen Hilfe lässt sich die Tür von innen zwar jederzeit öffnen, bleibt von außen aber verschlossen. Stein des Anstoßes war der Amoklauf von Winnenden im März.





Es scheint ein Schloss zu sein wie jedes andere auch. Schlüssel rein, umdrehen, die Tür ist auf. Noch mal den Schlüssel umdrehen, bis es hörbar knackt, dann ist die Tür wieder zu. „Kein Hexenwerk”, findet Jürgen Mutzberg, Physiklehrer am Immanuel-Kant-Gymnasium. Und doch hat es diese Klassentüre im wahrsten Sinne des Wortes in sich. Denn sie ist mit einem besonderen Sicherheitsmechanismus ausgestattet. „Von außen kommt jetzt keiner rein, aber von innen kann die Tür jederzeit mit der Klinke geöffnet werden”, erläutert Mutzberg, der einer von drei Sicherheitsbeauftragten an der Schule ist.

Idee begeisterte von Anfang an

Der Amoklauf von Winnenden im März dieses Jahres hat die Gemüter bewegt und auch zahlreiche Diskussionen in den hiesigen Schulen angestoßen. Mutzberg: „Wir haben überlegt, welchen passiven Schutz es geben kann.” Da kam dem Gymnasium der Zufall zu Hilfe. Kurz vor den Osterferien sei die Stadt auf das IKG zugekommen, berichtet Mutzberg im Gespräch mit der WAZ. Eine örtliche Firma sei auf der Suche nach einer Schule, die ihre neu entwickelten Sicherheitsschlösser testen würde. Der Gedanke, bei diesem Test mitzuwirken, stieß im Schulkollegium auf positive Resonanz. „Es ist schon wichtig, dass die Lehrer mitziehen, nur dann kann so ein System funktionieren”, sagt Mutzberg. Auch Schulleiterin Britta Berschick war von Anfang an für einen Testlauf zu haben: „Unabhängig davon, wie hoch oder niedrig die Gefahr eines solchen Amoklaufs jetzt bei uns in Heiligenhaus wäre.”

Bei einem Gespräch im April, bei dem auch die Kripo zugegen war, wurde die Vorgehensweise erörtert, Anfang Mai bekamen zwei Klassenräume die Schlösser – eine Unterstufen- und eine Mittelstufenklasse. Die Türen sind zudem mit Spionen ausgestattet. Mutzberg: „Wer rein will, muss nicht nur klopfen, er ist für den Lehrer auch erkennbar.” Im Falle eines Amoklaufes sei der Raum geschützt. Gleichwohl, „bei Gefahrensituationen ist die Tür wie gesagt jederzeit von innen zu öffnen.”

Schüler reagierten durchweg positiv

Begleitend wurden Schüler und Lehrer über das Projekt informiert, unter anderem lieferte die Kriminalpolizei Hintergrundmaterial und unterwies die Pädagogen. Und wie hat sich das Ganze in der Praxis bewährt? „Die Schüler haben durchweg positiv reagiert. Sicher ist es das eine oder andere Mal ein bisschen lästig im Alltagsgeschehen, aber man kann damit gut umgehen”, fasst der Physiklehrer die Erfahrungen zusammen.

„Es bringt atmosphärisch keine Einschränkung mit sich”, findet auch Schulleiterin Berschick. „In den Fachräumen haben wir seit Jahren ein ähnliches Prinzip, da gibt es von außen nämlich nur einen Knauf an der Tür.”

Im Fachausschuss „Bildung und Sport” wurde das Projekt nun gestern vorgestellt. Ob der Testlauf erweitert wird, also alle 48 Türen des Kant-Gymnasiums damit ausgestattet werden – als eine Art Musterschule – blieb offen. Die Kommunalpolitiker wollen zunächst die Expertendiskussion im Lande verfolgen. Und wenn, dann sollten alle Schulen mit diesen speziellen Sicherheitsschlössern ausgerüstet sein.

Fallen-Riegelschloss

„Wir haben uns, durch die Amokläufe in der Vergangenheit angeregt, Gedanken über solche Gefahrensituationen gemacht und nach Lösungen gesucht”, sagt Frank Heischkamp, Vertriebsleiter der Firma Wilhelm Schlechtendahl und Söhne (WSS). „Die Frage war, wie man mit geringem Aufwand ein Schloss so umrüstet, dass keiner rein, aber jeder raus kommt. Und das Ganze sollte dann auch noch für den Nutzer leicht händelbar sowie kostengünstig sein.”

Das Ergebnis ist ein mechanisches Fallen-Riegelschloss für Fluchttüren, das nur einen gesteuerten Zutritt erlaubt. Von innen wird über den Schlüssel der Außendrücker auf Leerlauf geschaltet; nur durch Schlüsselbetätigung kann dieser Türdrücker wieder angekoppelt werden. Ein Verlassen des Raumes ist in Notfällen ohne Schlüssel möglich. Nachgerüstet hat WSS einen Manipulationsschutz – er verhindert, dass die Schlossfalle durch Scheckkarten oder ähnliche Hilfsmittel zurückgedrückt werden kann.

„Obwohl das Ganze keine neue Technik ist, gibt es bislang nichts Vergleichbares auf dem Schloss- und Schließsystem-Markt”, sagt Heischkamp. Nach der Erprobungsphase nun eine Schule komplett als Referenzobjekt auszustatten, wäre für das Unternehmen deshalb reizvoll.