Heiligenhaus. Der Netzbetreiber Amprion erneuert in der Umgebung Teile von Hochspannungsleitungen. Für diesen Job brauchen die Monteure Nerven wie Drahtseile.
„Nach zwei Tagen interessiert man sich nicht mehr für die Aussicht, sondern ist auf seine Arbeit konzentriert.“ Michael Röhr hat an der höchsten Stelle von Heiligenhaus derzeit einen noch höheren Arbeitsplatz mit einem spektakulären Rundumblick.
Seit elf Jahren ist der gelernte Maurer Freileitungsmonteur. Hoch über den Wasserbehältern an der Heidestraße in Hetterscheidt turnt der 30-Jährige in den Streben eines Hochspannungsmastes, um neue Seile zu verlegen und neue Stahlbauteile an den Masten zu montieren. Bis zum Frühling lässt der Netzbetreiber Amprion die Leiterseile an der 380 Kilovolt-Freileitung „BL 45-16“ erneuern, die Essen-Eiberg mit der Umspannanlage Mettmann verbindet.
Arbeiter müssen absolut schwindelfrei sein
Damit Teile des Ruhrgebiets mit Strom versorgt werden können, wird erst eine Seite erneuert, dann kommt die andere. Grüne Fähnchen zeigen den abgeschalteten Bereich an. „Einmal in der Woche werden die Mitarbeiter eingewiesen. Die Leitung ist in den Anlagen geerdet, damit nicht versehentlich der Strom eingeschaltet werden kann. Wir legen größten Wert auf Sicherheit, Unfälle passieren äußerst selten“, betont Frank Sonnen von der Amprion-Baukontrolle. „Schwindelfreiheit ist eine Grundvoraussetzung für den Job“, stellt Bauleiter Lukas Murek klar, der selbst jahrelang in luftiger Höhe tätig war.
Die meisten Monteure sind Quereinsteiger, mittlerweile ist Freileitungsmonteur ein Ausbildungsberuf. Bevor jemand auf die 65 bis 75 Meter hohen Masten darf, muss er seine Höhentauglichkeit durch eine ärztliche Untersuchung bescheinigen lassen. „Eine gewisse körperliche Belastungsfähigkeit ist wichtig, denn bereits die persönliche Ausrüstung wiegt rund 20 Kilo, die auf den Mast getragen werden muss. Deshalb ist dieser Arbeitsbereich fast immer noch ausschließlich eine Männerdomäne“, hat der Bauleiter festgestellt.
Sicherungsseile verhindern Absturz
Zahlreiche Sicherungsseile und -haken verhindern einen Absturz, regelmäßige Lehrgänge schärfen ständig das Sicherheitsbewusstsein. „So eine Seilerneuerung bedeutet viel Handarbeit. Wir sind bei fast jedem Wetter tätig, solange die Masten nicht vereisen, es nicht stürmt oder Gewitter gibt“, beschreibt Murek die Umstände des nicht alltäglichen Berufs.
Die Leiterseile mit einem Durchmesser von 23 Millimetern aus Aluminium und Stahl werden im Schnitt alle 50 bis 60 Jahre ausgetauscht. „Die Masten halten noch länger“, so Frank Sonnen. Einer Seilerneuerung geht eine lange Vorbereitung voraus. Behörden werden informiert, oft wird eine ökologische Baubegleitung vorgenommen, die Grundstückseigentümer werden informiert. „Amprion hat ein eingetragenes Wegerecht zu den Masten. Auf den Feldern legen wir Platten, um den Ackerboden nicht unnötig zu verdichten“, so Lukas Murek.
Lager auf dem ehemaligen Eischeid-Gelände
Amprion hat einen gesetzlichen Auftrag
Die Verantwortung für das Höchstspannungsnetz in Deutschland liegt bei vier Übertragungsnetzbetreibern, von denen einer Amprion ist. Das Unternehmen transportiert über ein 11.000 Kilometer langes Versorgungsnetz Strom von Niedersachsen bis zu den Alpen.
Der Gesetzgeber hat in Paragraf 11 des Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) den gesetzlichen Auftrag folgendermaßen festgehalten: „Betreiber von Energieversorgungsnetzen sind verpflichtet, ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz diskriminierungsfrei zu betreiben, zu warten und bedarfsgerecht zu optimieren, zu verstärken und auszubauen, soweit es wirtschaftlich zumutbar ist.“ Amprion ist damit ein reguliertes Unternehmen mit gesetzlichem Auftrag.
Die Strecke wurde in vier Bauabschnitte unterteilt, an denen rund 100 Mitarbeiter tätig sind. Für die Arbeiten wurde das Gelände der ehemaligen Spedition Eischeid an der Selbecker Straße angemietet, wo die Baumaterialien gelagert werden.