Heiligenhaus. . Mehr Honorarkräfte sollen an der Heiligenhauser Musikschule unterrichten. Förderverein will das nicht hinnehmen – und wird kreativ demonstrieren.

Fanfaren vor der Ratssitzung hört man in Heiligenhaus auf dem Rathausplatz eigentlich nie: Doch am heutigen Mittwoch (3. April) wird das anders sein. Dann will sich der Förderverein der Musikschule im wahrsten Sinne des Wortes Gehör verschaffen und protestieren. Beschlossen werden soll im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung, künftig 30 Prozent der freiwerdenden Stellen an der Musikschule durch Honorarkräfte zu besetzen.Der Förderverein sieht drohende Qualitätseinbußen.

Das Entsetzen beim Förderverein ist groß. Nicht, weil man Honorarkräfte als generell qualitativ schlechter erachtet, sondern weil diese finanziell viel schlechter dastünden als festangestellte Musikschullehrer. „Man darf nicht vergessen: Alle Lehrer sind Akademiker. Und sie verdienen im Vergleich zu Lehrern an Schulen schon sehr viel weniger. Es ist eine finanzielle Katastrophe für sie, Honorarkraft zu sein“, findet Christina Mitropoulos-Bott klare Worte. „Bei vielen droht Altersarmut, denn die meisten sind nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt. So ein Beschäftigungsverhältnis ist einfach unethisch.“

Schüler und Lehrer sollten Beziehung aufbauen

Ein weiteres Problem sei, dass gute Lehrer schnell wieder weg seien, weil sie andere, bessere Angebote erhalten würden. Diese Fluktuation, die für den einzelnen Lehrer absolut verständlich sei, würde sich aber auf die Lehrer-Schüler-Bindung negativ auswirken. „Das Engagement der Lehrer ist unheimlich wichtig, die Kinder müssen unterstützt werden, gefordert werden, durch die Beziehung wird auch die Qualität besser“, so Mitropoulos-Bott. Wenn ein Lehrer häufig wechsele, habe man auch schon erlebt, dass viele Schüler mit dem Unterricht aufhören.

Das Musikschul-Gebäude am Südring.
Das Musikschul-Gebäude am Südring. © H.W. Rieck

Dass die Musikschule defizitär sei und es andere Möglichkeiten für Einsparungen oder Kooperationen geben sollte, das sehe der Förderverein ein. „Aber man muss eine kulturelle Bildungsanstalt wie die Musikschule als Stadt auch wollen – und sich weniger Gedanken um die Finanzierung machen. Das Betreiben einer Musikschule ist ein Kultur- und Bildungsauftrag und als Stadt hat man eine ethisch-moralische Verpflichtung,“ findet Mitropoulos-Bott. Finanzielle Einsparungen auf Kosten der Beschäftigten dürfe es nicht geben, der Förderverein befürchtet, dass durch mehr Honorarkräfte die Qualität, Güte und Menge des Angebots leiden wird.

Eltern wollen vor der Ratssitzung protestieren

Und das wollen die Eltern und der Förderverein der Musikschule eben nicht einfach so hinnehmen: Vor der Ratssitzung wollen sie zwar nicht reichlich Krach, aber Musik machen. „Wir wollen zeigen, dass wir sehen, was passiert und wir wollen unseren Unmut darüber kundtun. Nicht, dass es heißt, keiner hat seine Kritik geäußert“, so Mitropoulos-Bott. Das machen sie ganz schön kreativ: Sie haben einen Protestsong einstudiert, den sie Bürgermeister und Rat präsentieren. 50 Leute werden dabei erwartet.

Immer beliebt: Das Weihnachtskonzert der Musikschule.
Immer beliebt: Das Weihnachtskonzert der Musikschule. © Carsten Klein

Spannend wird sein, ob der Tagesordnungspunkt Musikschule im nicht-öffentlichen Teil anschließend dennoch beraten wird; die Fraktionen der Grünen und der WAHL hatten bereits im Vorfeld ihr Missfallen an der Veränderung kundgetan. „Wir werden auch bei der Ratssitzung versuchen, das Thema im öffentlichen Teil zu diskutieren“, so Stefan Okon von der WAHL.

Musikschule macht hohe Defizite

Doch warum sollen künftig mehr Honorarkräfte eingestellt werden? „Wir haben bei der Musikschule im Haushalt ein Defizit von 350.000 Euro pro Jahr“, berichtet Kämmerer Björn Kerkmann. Würde man eine Vollkostenbetrachtung durchführen, wäre das Defizit sogar noch deutlich höher. Die Verwaltung sieht durch die Einstellung von mehr Honorarfachkräften keine wesentlichen Qualitätseinbußen – der Umfang der angebotenen Unterrichtseinheiten bleibe bestehen. Ebenso bestünde die Möglichkeit der Extra-Honorierung für Sondereinsätze wie das Organisieren der Teilnahme an Konzerten, Stadtfesten und sonstigen Feierlichkeiten. Außerdem zahle die Stadt pro Unterrichtsstunde (45 Minuten) einen Beitrag an die Künstlersozialversicherung (Hintergrund: Freischaffende Künstler, wie eben die Honorarfachkräfte, sind über die Künstlersozialversicherung sozialversichert).

Wie sieht die Zukunft der Musikschule aus? Eltern befürchten, dass die Qualität leidet, wenn mehr Honorarkräfte eingestellt werden.
Wie sieht die Zukunft der Musikschule aus? Eltern befürchten, dass die Qualität leidet, wenn mehr Honorarkräfte eingestellt werden. © Carsten Klein

SPD-Fraktionschef Peter Kramer wehrt sich jedoch gegen den Vorwurf, dass auf Antrag der SPD hin mehr Honorarkräfte eingestellt werden sollen. „Wir haben in den Haushaltsberatungen die Verwaltung gefragt, welche Maßnahmen zur Reduzierung der finanziellen Mittel bei der Musikschule vorgenommen wurden“, berichtet Kramer. Schließlich hätten alle Einrichtungen, die ebenfalls von den Einsparungen bei den freiwilligen Leistungen betroffen waren, auch eben Einsparungen vorgenommen. Klar sei es nicht im Sinne der Sozialdemokraten, auf Honorarkräfte zu setzen, „aber die einzige Alternative wäre gewesen, Stellen gar nicht nachzubesetzen und die Musikschule kleiner zu fahren.“ Einige Angebote wären dann aus dem Programm gefallen, um das zu verhindern, habe die SPD im Ausschuss zugestimmt, vorübergehend diese Stellen durch Honorarkräfte aufzufüllen, so Kramer.

>>> VERDI HATTE STADT FÜR VORHABEN KRITISIERT

  • Ins Rollen gekommen war die Diskussion durch eine Pressemitteilung von Verdi; dort heißt es u.a.: „Heiligenhaus wird durch diesen Schritt einen massiven Qualitätseinbruch verzeichnen. Standards der Musikschularbeit sind nur mit festangestellten Lehrkräften zu stemmen.“
  • Der öffentliche Kulturauftrag Musikschule dürfe nicht länger den Sparobjekten unserer Kommunen unterliegen, weshalb Verdi bereits an einem Landesmusikschulgesetz arbeite. Kommunen sollten einen Vorbildcharakter für andere Arbeitgeber haben. Der Haushalt dürfe nicht auf Kosten von Beschäftigten saniert werden.