Heiligenhaus. Karl Bellenbergs Dissertation ist 560 Seiten lang. Wieso er noch mit 74 Jahren über das lyrische Werk von Else Lasker-Schüler promovierte.
Eine Dissertation über „Else Lasker-Schüler, ihre Lyrik und ihre Komponisten“ ist an sich schon eine beachtenswerte Leistung. Noch ungewöhnlicher wird sie, wenn man den Verfasser des Werkes näher betrachtet: Karl Bellenberg hat sein Grundlagenwerk nämlich im Alter von 74 Jahren fertiggestellt – ebenso beachtlich ist außerdem seine Abschlussnote.
„Das war die letzte Prüfung in meinem Leben“, erzählt Karl Bellenberg schmunzelnd, wenn er an die Verteidigung seiner Arbeit im Fach Musikwissenschaften Ende Februar zurückdenkt. Sowohl schriftlich als auch mündlich hat er, der an der Universität Köln studiert hat, die Note 1,0 bekommen und ist damit sehr zufrieden. Von Haus aus ist der 74-Jährige eigentlich Diplomingenieur der Elektrotechnik und hat auch bis kurz vor seiner Pensionierung in diesem Bereich gearbeitet. Die Musik allerdings hat ihn schon immer begeistert, Bellenberg spielt Klavier und Orgel und hatte ursprünglich vor, Toningenieur zu werden. „Damit wäre ich dann gerne zum Rundfunk gegangen. Außerdem habe ich damals eine kurze Zeit beim Komponisten Karlheinz Stockhausen hospitiert, das war der Hammer.“
Mit dem Tag der Verrentung an der Uni eingeschrieben
Wie das Leben so spielt, wurde aus den ursprünglichen Plänen von Karl Bellenberg nichts – nach dem abgeschlossenen Studium landete der Ingenieur zunächst im Bereich Schwerindustrie bei Hösch und arbeitete im Laufe der Zeit bei einer Handvoll Unternehmen, zuletzt außerdem als Lehrer für Mathe und Physik an der Realschule.
„Mit dem Tag der Verrentung habe ich mich zum Wintersemester 2006 dann an der Uni Köln eingeschrieben, zunächst als Gasthörer für Musikwissenschaften. Da habe ich dann Blut geleckt und wollte gerne ein Vollstudium anfangen. Das Problem dabei war sein Alter - Karl Belllenberg überschritt zu diesem Zeitpunkt schon das erlaubte Höchstalter für ein Vollstudium. „Aber der Institutsleiter hat einen Antrag gestellt und dann hat alles funktioniert.“ Zum Wintersemester 2008 startete er mit Germanistik und Musikwissenschaften als Hauptfächern, die Bachelorprüfung schloss er mit 1,2 ab. „Ich bin fünfmal die Woche nach Köln gefahren und habe auch in der Mensa gegessen. In meinem Alter war ich aber natürlich der einzige Vollstudent.“ Positiv überrascht hat ihn aber das Interesse der Jüngeren, die ihn gerne auf sein Studium ansprachen.
Doktorvater war jünger als Student
Jünger als Bellenberg war dann übrigens auch sein Doktorvater – allerdings nur ein einziges Jahr. Seine Dissertation schließlich umfasste 560 Seiten, „üblich ist die Hälfte“. Auf sein Thema „Else Lasker-Schüler“ ist der Senior schnell gekommen – bereits als Schüler begeisterte er sich für die Lyrik der jüdischen Dichterin und vertonte gemeinsam mit einem Freund mehrere ihrer Werke.
Und auch in Zukunft „werde ich keine Langeweile kriegen“, ist sich Bellenberg sicher. Um die von ihm im Laufe seiner Recherchen entdeckten Vertonungen einer breiten Öffentlichkeit zugängig zu machen, möchte er die Veranstalter von Kammermusikkonzerten bei der Auswahl von Vertonungen beraten.
>> UMFANGREICHES LYRISCHES WERK HINTERLASSEN
- Geboren wurde die deutsch-jüdische Dichterin 1869 in Wuppertal-Elberfeld, dort wurde 1990 auch die nach ihr benannte politische literarische Gesellschaft gegründet. Karl Bellenberg ist Vorstandsmitglied.
- Lasker-Schüler hinterließ nach ihrem Tod 1945 ein umfangreiches lyrisches Werk, drei Dramen, Erzählungen, Briefe und zahlreiche Zeichnungen.