Heiligenhaus. . Der 23-jährige Tom Kölbach ist in Europa erfolgreich im Enduro-Rennsport unterwegs. Welche Ziele er nun bei der Weltmeisterschaft verfolgt.
Mit über 100 Sachen über Stock und Stein, durch Sandbunker oder unübersichtliche Waldstücke. Dazwischen immer wieder Sonderprüfungen mit besonders schweren Hindernissen oder Geländebedingungen, und das sogar auf Zeit. Was im ersten Moment etwas wahnsinnig klingt, ist ein vor allem in Ostdeutschland beliebter Motorsport auf zwei Rädern. Der 23-jährige Heiligenhauser Tom Kölbach fährt seit vielen Jahren Enduro und nimmt mit seinem Motorrad sogar an Europameisterschaften teil. Wie er zu dem Sport gekommen ist, wie viel Aufwand für europäisches Niveau notwendig ist und was für Ziele er auf seinem Motorrad noch erreichen will, hat er WAZ-Mitarbeiter Simon Klaus im Interview erzählt.
Kannst du zu Beginn kurz erklären, wie man sich deinen Sport überhaupt vorstellen kann?
Ein Enduro-Rennen besteht aus mehreren Etappen, bei denen man jeweils eine circa 80 Kilometer lange Strecke drei oder vier Mal umrundet. Während dieser Etappen muss man in einem vorgegebenen Zeitrahmen bleiben, also nicht Vollspeed fahren, aber schon Gas geben. Was wirklich wichtig ist, sind die sogenannten Sonderprüfungen. Das sind kleine Streckenabschnitte mit besonderen Herausforderungen wie Sandbunkern, steilen Auffahrten oder künstlichen Hindernissen, hierbei geht es auf Zeit. Am Ende gewinnt, wer in allen Sonderprüfungen zusammen am schnellsten war und sich noch dazu an seinen Zeitrahmen auf der ganzen Strecke gehalten hat.
Wie kamst du selbst dazu, Enduro zu fahren?
Mein Vater Uli ist früher schon selbst gefahren und hat dann mit 38 Jahren wieder angefangen. Durch ihn bin ich dann mit zwölf das erste Mal auf einem kleinen Moped gefahren, mit 14 habe ich eine kleine Crossmaschine bekommen. Zu der Zeit bin ich aber nur ein paar Mal im Jahr gefahren. Mein erstes Rennen bin ich mit 16, dann schon mit einer 125er Maschine, gefahren. Mit 18 und endlich einem richtigen Motorrad ging es dann los, auch leistungsorientiert zu werden.
Was für Erfolge konntest du bis jetzt feiern und was war dein persönliches Highlight-Rennen?
Mein größter Erfolg war meiner Meinung nach der achte Platz bei der EM 2018. Dort konnte ich leider nur drei von vier Läufen mitfahren, Rumänien musste ich auslassen, sonst wäre noch mehr drin gewesen. Aber die Läufe in Polen, Italien und Schweden habe ich ganz gut absolviert und war am Ende mit dem Ergebnis absolut zufrieden. Mein persönliches Highlight war allerdings ein anderes, und zwar mein erstes internationales Rennen . Das war das „6 Days“ 2017 in Frankreich, eine wirklich krasse Erfahrung. Es waren teilweise über 40 Grad und wir saßen jeden Tag acht, neun Stunden auf unseren Maschinen. Abends hatte man dann eine Viertelstunde Zeit für die Wartung des Motorrads. Insgesamt war dieses Rennen einfach eine super Erfahrung, weil man in den Austausch mit vielen Fahrern aus anderen Ländern gekommen ist und eine ungeheure sportliche Herausforderung hatte. Und auch hier war ich mit meinem Abschneiden zufrieden, ich konnte meine erste FIM-Medaille in Silber in Empfang nehmen.
Was für einen sportlichen und organisatorischen Aufwand betreibst du, um als Hobbysportler auch im europäischen Vergleich gut abzuschließen?
Enduro ist wirklich ein unfassbar aufwändiges Hobby. Ich trainiere zwei Mal in der Woche auf dem Motorrad, allerdings ist der Sport eher in Ostdeutschland zu Hause. Die nächste Trainingsstrecke hier ist in Grevenbroich, das sind schon mal 45 Minuten Weg. Dazu liegen die kleineren nationalen Rennen, die ich gerne zur Vorbereitung auf die Deutsche und die Europameisterschaft nutze, ebenfalls häufig im Osten. Das bedeutet, dass ich manchmal schon mittwochs oder donnerstags anreisen muss, um die Strecke noch vernünftig begehen zu können. Das ist nötig, um sich die ideale Spur in den Sonderprüfungen merken zu können. Dazu kommt die technische Komponente, ich zerlege meine Maschine eigentlich nach jedem Rennen komplett, um sie vernünftig zu reinigen und zu warten. Auch auf klassischen Urlaub muss ich eigentlich komplett verzichten, aber ich probiere, die Rennen mit Urlaub zu verbinden. Letztes Jahr bei der EM bin ich beispielsweise noch eine gute Woche nach dem Lauf geblieben, um mir das Land anzuschauen und zu trainieren.
Das klingt nicht so, als wäre Enduro das günstigste Hobby. Wie finanzierst du dir deinen Sport?
Da muss ich zuerst meinen Sponsoren danken, vor allem Beta. Der Motorradhersteller aus Italien unterstützt mich tatkräftig, dort kriege ich immer super Bikes. Darüber hinaus habe ich weitere Sponsoren, die mich mit Öl und Ausrüstung versorgen. Vor vier Jahren haben wir, also mein Vater und ich, einen eigenen Offroadshop gegründet, also das Hobby ein Stück weit zum Beruf gemacht. Aus diesem ist vor zwei Jahren auch das OSK Racing Team hervorgegangen, unser eigenes Enduro-Team. Der Shop erleichtert natürlich nochmal ein paar Dinge, aber trotzdem muss man aus eigener Tasche viel draufzahlen. Ich bin immer auf der Suche nach weiteren Sponsoren, gerade das Spritgeld wird auf Dauer wirklich zur Herausforderung. Aber solange es finanziell möglich ist, betreibe ich diesen Aufwand gerne, weil ich den Sport einfach liebe.
Du hast gerade das OSK Racing-Team angesprochen. Was hat es damit auf sich?
OSK ist das Kürzel für Offroadshop Kölbach, also unseren eben angesprochenen eigenen Laden. Aus diesem ist vor zwei Jahren ein Rennteam hervorgegangen, mittlerweile haben wir 15 Fahrer, die im Deutschen Pokal fahren, und viele Hobbyfahrer. Diese Jungs kaufen sich ihre Maschinen und Zubehör bei uns, kriegen bei technischen Sachen und an Renntagen Unterstützung und tragen dafür halt unser Trikot, um auf den Shop aufmerksam zu machen. Aber das Team ist kein klassisches Sponsoring, mehr ein kollegiales Miteinander. Wir haben einige Teamevents pro Jahr, mit einigen trainiere ich regelmäßig.
Geht mit so einem Team im Rücken noch was in Richtung Motorrad-Profi?
Das wäre schön, aber um Profi zu werden, muss man schon im frühen Kindesalter auf der Maschine sitzen und richtig viel trainieren. Um das zu schaffen, müsste ich alles berufliche hinschmeißen und ein ungeheures Risiko eingehen. Darüber hinaus verdienen selbst Top-Profis keine Unmengen, müssen nach ihrem Karriereende mit spätestens 36, 37 Jahren auf jeden Fall noch arbeiten. Ein Profidasein ist für mich deswegen gar nicht das Ziel, ich bin mit meinem Niveau schon sehr zufrieden und würde mich freuen, wenn sich der ganze Aufwand lohnt und ich mich noch weiter verbessern kann. Aber das Ziel für die nächsten Jahre ist: Gesund bleiben, Spaß haben und weiterhin geile Erfahrungen bei internationalen Rennen machen. Das macht den Sport nämlich aus: Aufregende Natur und ein tolles Miteinander. Wir Enduro-Sportler sind wie eine große Familie.
>>> BALD GEHT ES MIT DER WM LOS
- Nächste Woche startet Tom Kölbach bereits bei seinem ersten Lauf bei den Deutschen Meisterschaften in der Nähe von Nordhorn. In diesem Jahr wird er vier von acht Rennen bei der Weltmeisterschaft mitfahren: im März im ostdeutschen Dahlen, im Juni in Italien, im September in Tschechien und beim Finale in Frankreich.
- 3000 bis 4000 Kalorien, so Tom Kölbach, verbraucht er bei jedem Rennen, „am Tag danach fällt das Aufstehen immer schwer“, denn sechs Stunden am Limit fahren gehe natürlich auch auf den Rücken und den ganzen Körper. Training sei dafür sehr wichtig.
- Wer Tom unterstützen oder mehr von ihm sehen will: Erreichbar ist er über info@betaracing.de und auf Instagram als tomkoel