„Hundert Meter Luftpolsterfolie“ heißt das neue Programm der Poetry-Slamerin Sandra da Vina. Ihr Wortwitz begeisterte das Publikum im Club.

Mädchen, Jugendliche, Frau – erwachsen? Mitnichten. Sandra da Vina schafft es mit ihrem Programm „Hundert Meter Luftpolsterfolie“ die naiven, kindlichen und glücklichen Augenblicke bei den Zuschauern wieder zu erwecken. Die bekennende Essenerin gastiert im Club.

Trilogie „Herr der Ringe“ dreimal angeschaut

„Ich bin nicht alt, ich bin nur älter geworden“, sagt die 29-Jährige. Egal welches Alter – und die Zuschauer sind durchschnittlich deutlich älter – jeder fühlt sich angesprochen. „Beim ersten ‚Herr der Ringe’-Film war ich in Frodo verliebt, beim zweiten in Legolas und beim dritten in Aragon.“ Kürzlich hat sich da Vina die Trilogie noch einmal angeschaut: „Wie süß ist eigentlich Gandalf“ stellt sie fest. Wie sich die Welt verändert und wie wir uns verändern stellt sie klug beobachtend dar. Dabei zeigt sie niemals auf andere, bleibt bei sich – ohne Scheu sich dabei albern zu verhalten.

Künstlerin sammelt Verben im Publikum

Einen Lückentext als literarisches Schmankerl zu formulieren gehört gelobt. Sie sammelt bei den Gästen Nomen, Verben und Adjektive ein und füllt sie in ihren Text. Das muss nicht gut gehen, kann total blöd und albern rüberkommen.

Es gab viel Applaus für eine tolle Mischung

Da Vina liest vor und gluckst selbst mehrfach, verkneift sich bisweilen einen Kommentar. Es ist nicht ganz klar, ob der Text brillant ist oder die Authentizität der Protagonistin den Erfolg verantwortet. Wahrscheinlich eine Mischung. Sie zieht das Publikum mit.

In der Apotheke kümmert sie sich ernsthaft um das Problem der Plattitüden. „Ich habe Magen-Darm.“ Mitfühlende Antwort des Fachmannes: „Ja, das geht gerade rum.“ Dann: „Ich habe einen grippalen Infekt“, sagt der Kranke. „Ja, das geht gerade rum“, antwortet der Apotheker. Alternativ: „WAS, da sind sie ja der einzige“, könnte eine andere Antwort heißen. Da Vinas Frage: „Was machen wir mit der Info?“ Ein der Genesung förderlicher Gedanke? Er bleibt in den Hirnwindungen stecken, denn da Vinas Mundwerk pausiert nicht.

Der Albtraum einer jeden Frau: die Umkleidekabine

Die Nummer in der H&M-Umkleide kennt jede Frau, ein immer wieder von Comedians aufgegriffenes Thema: Nirgendwo fühlt sich die Frau so hässlich wie dort. Wie eine neue Wortschöpfung klingt hingegen „Raclettieren“, ein Hobby, dem sie gerne frönt. Kein Wunder, dass es fettig und schmalzig wird, der Käse und die anderen Dosenobst- und -gemüse-Reste überall kleben, der Magen rumort, das Hüftgold quillt, behäbige Erschöpfung sich breit macht.

Kuscheln im Ruhrgebiet mit 600 Schalke-Fans

Nicht so bei Sandra da Vina. Begeistert berichtet sie im Ruhrgebiet zu wohnen, endlich zu wissen was Kuscheln heißt: „Mit 600 betrunkenen Schalke-Fans S-Bahn zu fahren.“ Auch die Liebe kommt nicht zu kurz. Drei Stunden ein Youtube-Tutorial anschauen „wie ich geschminkt ungeschminkt ausschaue“, um anschließend einen inszenierten Korb vom Freund zu erhalten. Das zarte Stimmchen mit Power tut dem Zuschauer so lange leid, bis da Vina die Situation mit Humor auflöst.

Zwischen pointierter Prosa, rasanter Lyrik, zärtlichem Rap und verstörenden Statistiken bewegt sich da Vina – basierend auf ihrer Erfahrung als Poetry-Slamerin. Das Spiel mit Worten, Sprache, Beobachtungen, Botschaften und das Ziehen dessen in die verschiedenen Stufen der Absurdität gelingt ihr zärtlich und weich. Es ist ihr schneewittchenhaftes, ja liebevolles Wesen in „komische Kleidung“ gehüllt, das fesselt und bezaubert.

Liebe zum Leben in Worte packen

Warum „Hundert Meter Luftpolsterfolie“? Es mache glücklich sie kaputt zu machen. Genau da liegt die märchenhafte Zärtlichkeit der jungen Germanistin. Ihre Liebe zum Leben wird in naive und wahre Worte gepackt: „Streiten ist schade, wenn man sich lieb hat.“

Und besonders schade, wenn die Ursache so profan wie schmutzige Fenster ist – so denn der Ursprung erkannt wird. Sandra da Vina ist eine positive junge Frau, die ihre Kraft aus der Liebe am Leben und der Erkenntnis des Scheiterns schöpft. Nie war Scheitern so amüsant, lehrreich und schmerzfrei.

<<<EXAMENSARBEIT ÜBER POETRY-SLAM

Sandra da Vina gewinnt 2014 im Alter von 25 Jahren als erste Frau die NRW-Landesmeisterschaften im Poetry-Slam.

„Sag es mit Leuchtbuchstaben“ ist da Vinas erstes Buch, herausgegeben 2016. Ihr aktuelles Buch „Hundert Meter Luftpolsterfolie“ ist ihr drittes Buch und gleichnamig ihr erstes Bühnenprogramm.

Die Germanistin hat auch ihre Magisterarbeit dem Poetry-Slam gewidmet. Thema der Examensarbeit: „Oralperformative Texte in Buchform.“