Heiligenhaus. Warum der Jäger sich als Anwalt des Wildtieres versteht und welche Verpflichtungen mit der naturnahen Tätigkeit verbunden sind.

Der Jäger als Anwalt des Wildtieres — oder wie Förster Hannes Johannsen sagt: „Der Schutz der Tiere steht bei der Jagd vor jedem Rehragout“. Das klingt widersprüchlich, schließlich bringen viele Menschen den Waidmann in erster Linie mit dem Abschuss von Waldtieren in Verbindung.

„Die Jagdwirtschaft ist kein Spaßbetrieb, sondern mit vielen Verpflichtungen verbunden“, will der Stadtförster mit Vorurteilen aufräumen. Die Aufgaben des Jägers sind vielfältig und hätten den Schutz des Tieres und seines Lebensraumes zum Ziel. Und dazu ist der Jäger sogar per (Bundesjagd-) Gesetz verpflichtet.

„Wir müssen für die wilden Tiere sprechen“

„Wir müssen für die wilden Tiere sprechen“, sagen Jagdpächter Johannes Pennekamp und Stadtförster Hannes Johannsen. Das sei gerade in einer Region wie unserer, in der der Wald von vielen Nutzergruppen angesteuert wird, von großer Bedeutung. Denn wenn Hundebesitzer, Mountainbiker und Wandersleute die Wald- und Feldwege bevölkern, ziehen sich wilde Tiere zurück.

Jagdpächter Johannes Pennekamp und Förster Hannes Johannsen (rechts) stehen regelmäßig in Kontakt zueinander.
Jagdpächter Johannes Pennekamp und Förster Hannes Johannsen (rechts) stehen regelmäßig in Kontakt zueinander. © Heinz-Werner Rieck

Viele, eigentlich tagaktive Tiere verlagern ihre Wachphasen auf die Nacht, um sich vom Menschen möglichst ungestört in ihren Revieren bewegen zu können. „Wir wollen, dass die Menschen in die Wälder kommen und Natur erleben. Aber Rücksichtnahme muss sein, um den Tieren keinen unnötigen Stress zu bereiten“, sagt Förster Hannes Johannsen. Tierischen Stress kann man zum Beispiel verhindern, in dem man auf den ausgewiesenen Wegen bleibt.

Für die Landwirte sind Jäger wichtige Ansprechpartner

Um die Menschen für die Bedürfnisse der wilden Tiere zu sensibilisieren, setzt Johannes Pennekamp auf seine stärkste Waffe: das Gespräch. Sein Revier in der Gemarkung Tüschen-Hetterscheidt ist rund 600 Hektar groß und ihm seit 47 Jahren vertraut.

In seinen Hegebereich fällt damit beispielsweise das bei vielen Erholungsuchenden beliebte Waldgebiet Paradies. „Ich bin immer ansprechbar und habe ein offenes Ohr für die Fragen der Bürger“, sagt Pennekamp. Denn im Gespräch lasse sich manches Problem schnell aus der Welt schaffen. Auch für die örtlichen Landwirte sind Pennekamp und seine Kollegen in der grünen Kluft wichtige Ansprechpartner.

Nicht nur mit der Flinte auf der Lauer

Die Jagd ist für Johannes Pennekamp mehr als ein naturnahes Hobby, sie ist Aufgabe und Verpflichtung zugleich. Denn der Heiligenhauser legt sich nicht einfach nur mit der Flinte auf die Lauer, er beobachtet auch den Lebensraum der Wildtiere sehr genau.

Bei langen Schneeperioden beispielsweise sind Pennekamp und seine Kollegen deutschlandweit dazu verpflichtet, die Wildtiere zu füttern. Bei Wildunfällen wird Pennekamp nachts von der Polizei aus den Federn geklingelt, um das angefahrene Tier in Augenschein zu nehmen — oder zu suchen. Sollte unter den Waldbewohnern eine Seuche ausbrechen, muss er etwas dagegen unternehmen

Feinschmecker richten schwere Schäden an

Gemeinsam mit Förster Hannes Johannsen durchstreift Jäger Johannes Pennekamp eine Neuanpflanzung im Waldgebiet Paradies. Der Heiligenhauser geht in die Hocke und nimmt eine kniehohe Buche unter die Lupe. „Alles verbissen“, erklärt er. Obwohl die jungen Buchen hier schon im vierten Jahr ihre Wurzeln ins Erdreich strecken, entwickeln sich die Pflanzen schlecht.

Die bedeutendsten Waldschäden sind Verbiss-, Nage- und Schälschäden. Johannes Pennekamp zeigt den Verbiss an Buchenknospen.
Die bedeutendsten Waldschäden sind Verbiss-, Nage- und Schälschäden. Johannes Pennekamp zeigt den Verbiss an Buchenknospen. © Heinz-Werner Rieck

Schuld sind die Feinschmecker des Waldes: Rehe. Sie knabbern mit Vorliebe die frischen Knospen von den Bäumen. Das macht nicht nur dem Wald zu schaffen, sondern auch Förstern und Jägern. „Die Rehe richten im Wald die größten Schäden an“, erklärt Stadtförster Johannsen.

Bäume stehen auf der Speisekarte

Sie machen sich auch gerne über seltene Baumarten wie die Kirsche her und fördern damit eine „Entmischung“ des Waldes. In den heimischen Wäldern müssen sich außerdem Buche und Ahorn ohne Schutzmaßnahmen des Menschen verjüngen können. „Das ist leider nicht überall so“, erklärt Johannsen. Denn die Rehe lassen manchen Pflanzen keine Chance. Im Frühjahr schaben die Rehböcke zudem mit ihren wachsenden Geweihen die Rinde von Bäumen ab und schädigen sie nachhaltig.

Wie viele der scheuen Rehe sich genau durch die Heiligenhauser Wälder knabbern, ist nicht bekannt. „Rehe sind nicht zählbar. Man geht aber ganz grob davon aus, dass es pro Hektar zehn bis zwölf Rehe gibt“, sagt Johannes Pennekamp. Viel entscheidender als die genaue Anzahl der Rehe sind für Pennekamp und Johannsen ohnehin die „Verbissanzeiger“. „Stellen wir fest, dass sogar die Fichten verbissen sind, muss der Tierbestand reduziert werden“, erklärt der Stadtförster.

Mehr Stress, mehr Seuchen, mehr verletzte und tote Tiere

Was würde eigentlich passieren, wenn man die Jagd verbietet? Ziemlich viel, sind sich Jagdpächter Johannes Pennekamp und Förster Hannes Johannsen sicher. „Wildseuchen, die für Tier und Mensch gefährlich werden können, würden zunehmen“, erklärt der Stadtförster. „Die Tollwut würde wieder aufkommen“, ergänzt Jäger Pennekamp.

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O © Johannes Kruck

Nach Ansicht der beiden Fachmänner würde es vermehrt zu Wildschäden in der Landwirtschaft kommen, gerade in Bereichen, in denen viele Wildschweine leben. Keine Jäger, mehr innerartlicher Stress, der den Tieren zu schaffen macht: „Gerade bei den Ricken, den weiblichen Rehen, gibt es viele Zickereien, wenn sie nicht genug Platz für sich und ihre Kitze haben“, erklärt Hannes Johannsen. Dass es mehr Wildunfälle auf den Straßen geben könnte, da sich die Tiere wegen Revierstreitigkeiten mehr jagen, sei ein weiterer Aspekt.

Nicht zuletzt sei die Jagdindustrie auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Dort, w alle Menschen in die Natur wollen, müsse es Menschen geben, die die Natur regulieren, finden Johannsen und Pennekamp.