heiligenhaus. . Im Familienzentrum Nonnenbruch legt man bei der Betreuung von Flüchtlingskindern Wert auf engen Kontakt zu den Eltern. Die schätzen das auch.
An dem großen runden Tisch in der Mitte des Familienzentrums Nonnenbruch sitzen drei junge Frauen, trinken Kaffee und unterhalten sich auf Arabisch. Jede von ihnen hat ein Baby auf dem Arm, die großen Geschwister toben bereits in ihren Spielgruppen. Bouchra Altarboush und Roula Hamrouni sind aus Syrien geflüchtet und sprechen erst wenig Deutsch, Fatima Malyia ist als Übersetzerin dazu gekommen.
Ihre Kinder lernen seit August fleißig die fremde Sprache von ihren deutschsprechenden Freunden im Kindergarten. „Die beste Art der Integration? Die Kinder einfach mal machen lassen“, findet Kirsten Langenkamp, Leiterin der Einrichtung.
Viele Familien mit Migrationshintergrund
In dieser Kindertagesstätte in dem Ortsteil von Heiligenhaus, in dem besonders viele Familien mit Migrationshintergrund wohnen, sind die Spielgruppen schon immer mit den verschiedensten Nationalitäten durchmischt gewesen. Hier wird aber niemand gesondert behandelt.
„Das wichtigste für die Kinder in diesem Alter ist, zu erkennen, dass sie überhaupt nicht anders sind als die übrigen Spielkameraden. Diese Selbstakzeptanz ist enorm wichtig für die spätere Entwicklung“, weiß Langenkamp aus Erfahrung. Sie ist seit 1988 in der Einrichtung und hat schon viele Kinder beim Heranwachsen begleitet. „Ich kenne es nicht anders. Ich liebe das Zusammenleben all der verschiedenen Nationalitäten in unserem Haus.“
Enge Kontakt zu den Eltern
Für sie sei aber hinsichtlich der Integration der Kinder vor allem der enge Kontakt zu den Eltern wichtig. „Es ist toll, wie die Familien untereinander vernetzt sind. Jeder hilft jedem. Aber auch wir wollen helfen, wo wir können. Ich freue mich über jeden, der hier einen Kaffee mit uns trinkt und das Gespräch sucht“, sagt sie. Altarboush und Hamrouni sind dankbar für die Zusammenarbeit. „In Syrien gibt es so einen Austausch zwischen Erziehern und Eltern nicht. Du erfährst kaum, wie dein Kind sich entwickelt“, sind sie sich einig. Hier in Deutschland, einem noch fremden Land, ist dies umso wichtiger.
Bei Hamrounis Sohn, Mouhamed, hat Kirsten Langenkamp kürzlich eine interessante Entwicklung beobachtet. „Er hat für mich gekocht und ich musste alles probieren. Wir haben ein paar Worte auf Deutsch geübt. Er wiederholt leise, was ich sage. Ich denke, er hat noch viel Scham, etwas Falsches zu sagen. Aber man sieht wie er nachdenkt, die ganze Zeit. Da fruchtet etwas“, erklärt Langenkamp.
Gemeinsame Rituale
Die Kleinen lernen am besten beim Abgucken von anderen. Auch Rituale, wie das gemeinsame Frühstück, unterstütze die Entwicklung, so Langenkamp. Zusätzlich haben die Erzieherinnen das „Rucksack-Projekt“ eingeführt. „Da bekommen die Kinder Aufgaben in ihrer Muttersprache gestellt, die sie mit ihren Eltern Zuhause lösen sollen. Nach einer Woche wird dann hier alles gemeinsam auf Deutsch besprochen. Wir wollen den Kindern so vermitteln, dass es toll ist, gleich zwei Sprachen sprechen zu können“, erklärt Langenkamp. Und so fiele es den Eltern Zuhause leichter, die deutsche Sprache langsam einzuführen.
„Es ist schwierig. Die Kinder verstehen nicht, dass manche Dinge nun zwei Namen auf zwei Sprachen haben und trotzdem dasselbe sind. Im Kindergarten ist Mouhamed gerne Fischstäbchen. Zuhause, unter arabischem Namen, fasst er sie nicht an“, schildert Hamrouni.
Familien fühlen sich hier sicher
Nicht nur die Sprache sei eine Hürde für die Kinder. Was sie in ihrem Heimatland erlebt haben, verfolge sie noch immer. „Silvester war besonders schlimm. Die Kinder hatten bei jedem Böller Todesangst. Laute Geräusche verbinden sie noch immer mit dem Einschlagen einer Bombe“, sagt Roula Hamrouni, aus Syrien geflüchtete Mutter. Ein Trauma, das sie nur schwer verarbeiten können.
Die Aufarbeitung sei nicht leicht, so Kirsten Langenkamp. „Wir möchten nicht von uns aus die Kinder damit konfrontieren. Sollten sie die Initiative ergreifen, werden wir versuchen, daran mit ihnen zu arbeiten“, sagt die Kita-Leiterin. Gerade am Anfang fürchteten die Kleinen die Trennung von ihren Müttern, wenn sie alleine in der Kita blieben. „Die Angst, dass wir vielleicht nicht wiederkommen, war sehr präsent“, so Bouchra Altarboush. „Aber nun sehen sie, dass ihre Mütter hier genauso ihren Platz gefunden haben, wie sie“, sagt Langenkamp.
Die Flucht dauerte zwei Monate
Auch ihre Väter gewinnen an Sicherheit in der neuen Heimat. Zwei Monate dauerte die Flucht von Syrien. Nach der Ankunft hat es über ein Jahr gedauert, bis sie aus der Notunterkunft in eine eigene Wohnung ziehen und Frauen und Kinder nach Deutschland holen konnten. Nun belegen die Ehemänner der beiden syrischen Frauen Deutschkurse an der VHS. Sie sind stolz darauf, was sie schon können, haben aber noch Scham im Gespräch.
„Wir wollen niemandem eine Last sein und haben Angst zu nerven. Aber jeder hier versucht, uns zu verstehen. Die Menschen sind sehr freundlich und geduldig“, sagt Hamrouni. Beide Familien fühlen sich wohl in ihrer neuen Heimat. „Deutschland ist so, wie wir es uns auf der Flucht erhofft haben. Hier sind wir sicher“, sagt Altarboush.