Heiligenhaus. . August Steinbrink berichtet über Ernte und Weiterverarbeitung von Stielmus. In geselliger Runde wurde dabei geredet, gegessen und getrunken.
Schon bald nach dem Umzug von Hasselbeck nach Hetterscheidt wurden Heimatchronist August Steinbrink und seine Frau von den „uralten“ Bewohnern dieses Ortsteils recht wohlwollend aufgenommen und mit den hier üblichen Gebräuchen und Sitten vertraut gemacht.
Dazu gehörte in der herbstlichen Jahreszeit das Ernten von Stielmus, auch als Rübstiel bekannt; in Hetterscheidt wurde dann daraus im Lauf der Jahre der „Musowend.“ Wo es raummäßig möglich war, hieß es: „Wir machen wieder einen Musowend.“ Hierzu taten sich Frauen aus der Nachbarschaft zusammen, um vom Stielmus das Laub abzuströppen.
Arbeit dauerte mehrere Stunden
Eine Arbeit, die sich weiter vererbt hatte. Hierzu hatten die Frauen ihr eigenes Küchenmesser und ihre eigene Schürze mitgebracht. Die Stiele wurden klein geschnitten und nach bewährter Art in Fässer mit Salz zur Konservierung eingelagert.
Da diese Arbeiten sich bis in den Abend hinzogen, gab es den Begriff „Musowend“. Zwischendurch hatten Frauen für das leibliche Wohl gesorgt. Der sonst übliche Muckefuck wurde mit einigen Kaffeebohnen zur Kaffeepause aufgebessert; es gab Weiß- und Schwarzbrot, dazu hiesige (gute) Butter mit Apfelkraut. So ein Musowend dauerte bis in die Abendstunden. Man wollte sich aber auch nicht lumpen lassen und spendierte abends Wurst und Schinken als Reste der letzten Hausschlachtung; dazu gab es einen Bergischen Klaren.
Mägde und Hahnen
Hochherrschaftliche Haushaltungen schickten teilweise ihr Personal, ebenso kamen Mägde von den umliegenden Bauernhöfen. Man wollte hiermit eigentlich erfahren, was sich so tat. Auch Kochrezepte für das Stielmus, zum Beispiel „Stielmus muss in Fett glänzen, dann schmeckt es besonders gut“, wurden genannt.
Während die Männer sich mit ihren Frauen auf den Heimweg machten, waren es die „Hahnen“ - damaliger Begriff für junge Männer, die sich um den Nachauseweg für die Dienstmägde kümmerten. Diese Hahnen wussten immer, wann und wo in Hetterscheidt ein Musowend war.
Dazu ein Uralt-Hetterscheidter zu Steinbrink: „Wievöll Hahnen on weiter sech dörch ne Musowend kennengeliert on läter sech dann bestatt handt, es nitt bekangd.“ (Wie viele junge Männer und Mägde sich durch einen Musowend kennengelernt und später geheiratet haben, ist nicht bekannt.)
Gemeinsames „Abströppen“
Über eine, in der neueren Zeit nicht mehr notwendige Nachbarschaftshilfe schreibt August Steinbrink: „Es geht um das ,Musströppen’, womit die Vorbereitung von Stielmus, auch als Rübstiel bekannt, für die Konservierung gemeint ist. Das im Anschluss an die Ernte der Frühkartoffeln im Hausgarten freigewordene Gartenstück wurde schon bald für die Aussaat von Stielmus genutzt.
Ende September/Anfang Oktober hieß es dann in der Nachbarschaft: „Kömmst Du morgen och tem Musschleiten?“(Kommst Du morgen auch, um beim Stielmus die Blätter abzuströppen?“) Es waren dann meistens bis zu zehn Nachbarinnen, die sich am frühen Nachmittag mit ihrem eigenen Küchenmesser zur Mithilfe einfanden. Das Stielmus musste der großen Menge wegen mit der Schubkarre herangeschafft werden. Die Stängel, von denen das Blattgrün abgeströppt war, und die eigentlich nicht zu dick sein durften, schnitt eine andere Nachbarsfrau in kleine Stückchen, etwa einen Zentimeter lang. Diese kleinen Stückchen wurden früher in Holztonnen, später dann in Steinguttöpfen mit Salz zur Konservierung eingelagert.
Gemüse für eine Mahlzeit
Meistens endete das Musströppen gegen 16 Uhr, und alle fanden sich zum Kaffee mit Stuten, Schwarzbrot und Apfelkraut in der Küche ein, wo die im Keller angefangenen Gespräche fortgesetzt wurden, bis eine Nachbarin als Erste die gemütliche Runde mit den Worten: „Ich mott min Schoep tüddern!“ verließ, der dann die Nächsten bald folgten. Jede der am Musströppen beteiligten Nachbarinnen bekam eine „Zopp“ (=Gemüse für eine Mahlzeit) mit nach Hause und im Winterhalbjahr gehörte Stielmus mit zum Speiseplan.
Diese geschilderte Art der Nachbarschaftshilfe ist heutzutage nicht mehr bekannt und auch nicht mehr notwendig. Mit seinem Umzug nach Hetterscheidt bekam August Steinbrink von einem älteren Hetterscheidter im Zusammenhang mit Stielmus den früher dort üblichen Musabend geschildert (siehe Haupttext).