Heiligenhaus. . Schwarzwurzel und Dicke Bohnen: Walter Wüster zieht in seinem Nutzgarten vieles heran, was einst schon seine Mutter auf den Familientisch brachte.

Der Weg zu Walter Wüsters Gartenglück führt durch einen Rosenbogen. Knallrote Kletterblüten umranken einen selbst gezimmerten Rahmen aus Holz. Das alte Tor quietscht leise in den Angeln, als der Freizeit-Gärtner es sanft aufschiebt. Dahinter erstrecken sich rund 150 Quadratmeter voller Kürbis-Pflanzen, Rhabarber und Rote Beete. Einen großen Garten gab es auf dem Hofgelände am Herberger Weg schon, als Walter Wüster noch ein Kind war. Dort zog seine Mutter nahezu alles heran, was sie ihrer fünfköpfigen Familie und den Hof-Angestellten auf den Tisch brachte. Vieles von dem, was heute in den von Buchsbaum umwachsenen Beeten spießt, kennt Wüster noch aus seinen Kindertagen. So wie die Schwarzwurzeln zum Beispiel. „Früher nannte man die Arbeiterspargel“, sagt Wüster.

Ein paar Reihen weiter wachsen Pastinaken, Kartoffeln und Dicke Bohnen. Letztere sind bald reif und erinnern den 74-Jährigen ebenfalls an längst vergangene Zeiten. Bei den Nachbarn gab es früher nämlich regelmäßig Pferdegulasch mit Dicke-Bohnen-Salat. Den bereiten die Wüsters auch heute noch gelegentlich zu. „Mit Essig und Öl“, sagt der Freizeit-Gärtner. Überhaupt mag er das „uralte Gemüse“ ziemlich gerne. Mit dem Setzen der Bohnen-Saat beginnt für ihn die Gartensaison, wenn noch alles andere im Winterschlaf liegt. Denn bereits im Februar steckt er die Bohnen in die Erde – die dann zuweilen noch gefroren ist. Aber der Heiligenhauser weiß sich auch dann zu helfen. Lachend erzählt er von einem Jahr, in dem er die Löcher mit der Bohrmaschine in den eisigen Boden trieb. Die frühe Saat sei bei den Dicken Bohnen so wichtig, damit sie keine Läuse bekommen, berichtet Wüster.

Alte Hofschaft am Paradies

Langsam schreitet er seinen Nutzgarten ab, vorbei an Schnittsalat, an Mangold, Porree-Pflänzchen und Spitzkohl. Was der Heiligenhauser hier mit viel Liebe und Mühe heranzieht, landet auf dem Tisch der Hofgemeinschaft. Insgesamt zehn Köpfe zählt die Familie, die die alte Hofschaft am Paradies bewohnt.

Hinter den historischen Backsteinmauern der Gebäude umrahmen hohe Fichten und alte Kirschbäume das Gartengelände. Nach dem Tod der Mutter lag der Garten einige Jahre brach. Rasen eroberte die alten Beete. Erst 2006, mit dem Renteneintritt, belebte Wüster das Areal wieder. Und er bereut das nicht. Auch wenn ihm und seinen grünen Zöglingen in diesem Jahr besonders die Schnecken zu schaffen machen. „Mir wird hier nie langweilig“, sagt er, während er zu den Johannisbeer-Büschen am Rand des Gartens läuft. Noch sind die unreifen Beeren hellgrün, bald schon werden sie rot und schwarz zwischen dem Blattwerke hervor leuchten. Und damit auch so manchen heimischen Vogel anlocken. Trotzdem wird Wüster die Sträucher nicht mit einem Netz vor dem gefräßigen Federvieh schützen. „Ach, die sollen auch etwas abbekommen“, sagt er. Gleich neben den Johannisbüschen wächst die Josterbeere. „Das ist eine Kreuzung aus Stachel- und Johannisbeere“, erklärt Wüster. Die Beeren wären im Geschmack milder als Stachelbeeren und man könne daraus prima Aufgesetzten machen. Die Beeren in Wüsters Garten werden überwiegend zu Gelee und Marmelade verarbeitet.

Hinter den Gebäuden des Herberger Hofes wachsen jedoch nicht nur essbare Pflanzen. Entlang des Gartenwegs sprießen auch Gewächse, die einfach nur hübsch anzusehen sind. So wie die zarten, gelben Cosmea-Blüten etwa, der giftige Fingerhut mit seinen lilafarbenen Blütenstand oder ein blühendes Urlaubsmitbringsel, dessen Namen Walter Wüster nicht parat hat. Schmunzeln muss er, als er von der Pflanze mit den rosafarbenen und blauen Blüten erzählt, die sich am Wegesrand entlang schlängelt. „Den botanischen Namen kenne ich nicht. Aber wir haben die immer Adam und Eva genannt“, sagt er. Der geschlechtsspezifischen Farben wegen.

Wüster blickt über sein kleines, grüne Reich, das ihm zwar viel Arbeit, aber auch viel Freude bereitet. Zu dieser Jahreszeit mag er seinen Garten am liebsten. Jetzt kann er seinen zarten Schützlingen beim Wachsen zusehen. Bald schon beginnt für ihn die Zeit der Ernte. „Wenn ich in den Garten gehe und mir dort einen Kopf Salat hole, das ist schon toll“, sagt er. Der schmecke nicht nur ganz anders als der Artgenosse aus dem Supermarkt, den habe er vom Saatkorn an gehegt und gepflegt. Walter Wüsters Stiefel schieben sich durch das regennasse Gras, unter dem Rosenbogen hindurch. Langsam zieht er das Tor zu seinem Gartenglück hinter sich zu.