Heiligenhaus. . Ab wann ist eine Traurigkeit eine Depression? Und was ist normal? Psychiater Dr. Christian Aheimer erklärt in unserer neuen Serie, das man keine Angst vor Psyche haben muss.

„Plötzlich fühlte ich mich nur noch traurig und leer, hatte Angst vor den Menschen im Supermarkt, saß stundenlang bewegungslos in der Küche und starrte ins Leere. Alles war so sinnlos. Das kam, nachdem ich mich über alles und jeden aufgeregt habe. Eigentlich ohne Grund. Meine Familie hat mich verständnislos angeschaut.“

Die psychischen Eigenschaften beeinflussen nahezu alle Lebensvorgänge, fast immer, ohne, dass wir davon etwas merken. Häufig bemerken wir die Existenz der Psyche erst, wenn sie krank ist. In unserer neuen Serie „Keine Angst vor Psyche“ wollen wir versuchen, einen Überblick über die Eigenschaften der Psyche zu geben. Was sind krankhafte Störungen, wie zum Beispiel Depression, Angststörung, Schizophrenie, Psychosomatische Störung oder Demenz und ab wann sollte man ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen? Fragen wie diesen gehen wir nach.

Unbewusste Abwehrmechanismen

Jeder Mensch hat eine Psyche. Neben Körper und Geist besitzt der Mensch im Gehirn Nervenzellstrukturen, die die psychischen Funktionen bewirken. Die Psyche bildet Gefühle, aber auch unbewusste Abwehrmechanismen gegen emotionale Konflikte. Außerdem kontrolliert sie die Triebe – zumindest sollte sie das.

Wir können nicht jeder Versuchung nachgeben. Auch sollten wir unsere Gefühle manchmal unterdrücken können.

Zu den Gefühlen zählen Freude, Ärger, Angst, Traurigkeit, Neid und Scham. Zu den Abwehrmechanismen rechnet man Verdrängung, Umwandlung zum Abreagieren, Rückfall in kindliches Verhalten oder Rationalisierung: Hier versuchen wir, alles logisch und nicht emotional zu erklären. Auch die Triebe, wie Aggressionstrieb, Sozialtrieb, Sexualtrieb und viele andere gehören zum psychischen System, die kontrolliert werden müssen.

Positive und negative Gefühle

Wird ein Trieb befriedigt, so entsteht ein positives Gefühl, dass sich in Freude und Glück ausdrückt. Wird er unterdrückt, resultiert eine innere Spannung mit Ärger oder Trauer, manchmal auch unklare Angst.

Triebe und Gefühle sind also eng miteinander verknüpft. Damit uns die negativen Gefühle beim Unterdrücken der Triebe keinen seelischen Schmerz verursachen, benutzt die Psyche die Abwehrmechanismen. Gerade in solch streng regulierten Strukturen, wie der menschlichen Gesellschaft, arbeiten die Abwehrmechanismen täglich auf Hochtouren.

Tägliche Triebbefriedigung

Tagtäglich verschaffen wir uns unbewusst angenehme Gefühle durch Triebbefriedigung. Bei einer guten Tasse Kaffee, einem leckeren Stück Kuchen und einer Zigarette verschaffen wir uns ein angenehmes Gefühl, obwohl wir eigentlich nicht rauchen wollten.

Ebenso verbieten wir uns täglich die Erfüllung mancher Triebe, wie zum Beispiel dem pampigen Chef einen Kinnhaken zu geben und ärgern uns stattdessen. Mindestens ebenso häufig machen wir Sachen, die eigentlich der Abwehr negativer Gefühle oder schädlicher Triebe dienen, damit wir abends halbwegs zufrieden ins Bett schlüpfen können und uns keine Probleme durch unkontrollierte Gefühle oder Triebbefriedigungen einhandeln. Statt dem Chef eine zu knallen, ziehen wir die Joggingschuhe an und laufen uns den Frust von der Seele. Musiker legen ihre Gefühle in die Spielweise ihres Instrumentes.

Krank werden wir, wenn wir zu lange unbefriedigt mit nur noch negativen Gefühlen und mangelnder Abwehr herumlaufen. Dann entwickeln sich Depressionen, Ängste, psychosomatische Störungen.

Zeit zu handeln

Ebenso kann die Psyche, so wie jedes andere Organ auch, ohne erkennbare Ursache seinen Dienst quittieren oder falsch funktionieren. So zum Beispiel bei der Schizophrenie, ADHS oder der Demenz. Dann ist es Zeit zu handeln.