Heiligenhaus. . Kabarettist Wilfried Schmickler teilt mal wieder ordentlich aus: Gegen Politiker, Kleingeistigkeit und Gedankenlosigkeit.

Wenn Wilfried Schmickler ein neues Programm hat, dann ist der Club an der Hülsbecker Straße einer der ersten Spielorte, an denen er es ausprobiert. Am Dienstagabend war er wieder da, mit einem Programm, kaum eine Woche alt, „das ist so neu, da bin ich selber manchmal überrascht“, sagt er. Es heißt „Das Letzte“.

Und es wird sehr grundsätzlich. Schmickler diskutiert etwa mit einer Stimme vom Band, was eigentlich zuerst kommt: das Fressen, die Moral, das Wort, der Glaube, die Hoffnung? Die Kunst, der Weltfrieden, der Welthandel, die Gesundheit? Der Wald, die Atmung, das Auto? Das Geld, die Gewerkschaft, die freie Marktwirtschaft, die Selbstverwirklichung oder die Zellteilung? Und — noch wichtiger — was zuletzt kommt: „Dumme Frage, der Mensch natürlich.“

Schmickler teilt umfassend aus: gegen die Kontaktsperre zwischen dem Volk und seinen Vertretern auf dem millionenteuren G7-Gipfel. Gegen die Krankenkasse, für die er auf der Bühne Kilometer machen muss. Gegen den Ausverkauf der Daten und das Internet der Dinge: „Ich möchte einfach nicht, dass mein Wasserkocher ein Verhältnis mit dem Kronleuchter anfängt; irgendwann komme ich nach Hause, sind die beiden weg.“

Sich mal Gedanken machen

Er teilt aus gegen die Kleingeistigkeit von Flüchtlingsgegnern („Selig die Barmherzigen, aber eine ungestörte Nachtruhe ist auch was wert.“). Gegen kulinarische Triebtäter und Paleo-Dogmatiker. Gegen „Schrebergartenlyrik“, die den Preis der Leipziger Buchmesse gewinnt und nicht zuletzt gegen den „erbärmlichen Haufen“ SPD.

Verdaue in Frieden, wünscht er Deutschland, und schließt das letzte Lied des Abends mit der ehrlichen Empfehlung: „Deswegen sollten wir uns hin und wieder mal den ein oder anderen Gedanken über die Zukunft machen.“

Kein Zukunftsplan

Wo diese Zukunft liegt, ist seinem Programm nicht zu entnehmen. Damit fügt es sich nahtlos in den bestehenden von Schmickler so genannten „Humor-Klimawandel“. Im März breitete schon der ‚investigative’ Kabarettist HG. Butzko im Club eine alternativlos-apokalyptische Vision aus. Und schon Ende 2013 hatte Volker Pispers das Gefühl, es gebe für seine WDR2-Kolumne nichts Neues mehr zu sagen. Ist alles zu kompliziert und zermürbend geworden? Kann man Kabarettisten nicht mehr als Durchblicker und Bescheidwisser verstehen?

Eine Zuhörerin aus dem Club-Publikum am Dienstagabend bestätigt den Eindruck der Unübersichtlichkeit. „Schmicklers neues Programm fängt das Lebensgefühl im Moment gut ein“, sagt sie. „Es ist nicht lange her, da ging man ins Kabarett zur Selbstvergewisserung; heute erlebt man dort kollektive Verunsicherung.“ Sie findet das aber okay: „Vielleicht heißt das, dass es wirklich ans Eingemachte geht, wenn so viel über Werte gesprochen wird.“