Heiligenhaus. . Einst waren sie Top-Manager, jetzt brauchen sie eine Therapie. Wie sie sich eine heile Welt vorgaukeln, zeigen die Kant-Schüler mit Bravour in „Top Dogs“.
„Krause. Sie sind ein Arschloch!“ Die Ironie an diesem Ausruf: der schreiende junge Mann im Businessanzug ist Heinrich Krause. Vor gar nicht allzu langer Zeit gehörte Krause (Arne Löffler) noch zu den sogenannten Top Dogs und machte Hunderttausende im Jahr. Mittlerweile kratzt er an der Grenze zum Wahnsinn. Schuld daran ist eben diese Entlassung, die er nun in einer Therapiesitzung noch einmal durchleben muss. Diesmal steckt er jedoch in der Rolle seines Chefs und lässt kein gutes Haar an seinem imaginären Spiegelbild.
Schnell wirft Fabian Besler sein anthrazitfarbenes Jackett über. Dem Oberstufenschüler bleiben nur noch 15 Minuten bevor sich der Vorhang lüftet. Die Krawatte sitzt, der Text auch. Besler wird gleich in eine Rolle schlüpfen, von der ihn noch das Abitur, eine Ausbildung und jahrelange Arbeitserfahrung trennen.
16 junge Menschen, die momentan noch die Schulbank drücken, mussten sich für Urs Widmers Stück „Top Dogs“ plötzlich mit der Verzweiflung nach einer Entlassung auseinander setzten. „Ich habe mich einfach versucht, in die Lage zu versetzen. Wenn man sich darauf einlässt, dann ist es gar nicht so schwer, diese Rolle zu spielen. Enttäuscht wurde jeder doch schon mal“, beschreibt Besler die Arbeit an seiner Figur. Nicht nur er ist an seiner Rolle gewachsen, seine Mitstreiter sind es auch. In Highheels, Bleistiftröcken oder mit Krawatte laufen die Schüler der Jahrgangsstufe Q1 bei der Premiere des Stücks zur Höchstform auf. Auch wenn ihre Alteregos locker 20 Jahre älter sind, wirkt nichts daran aufgesetzt. Die Gymnasiasten schaffen es, in eine Welt einzutauchen, in der aus harten Hunden schnell arme Schweine werden können.
Kaum zu glauben, dass Urs Widmers Theaterstück vor knapp zwanzig Jahren in Zürich uraufgeführt wurde. „Es ist eine Thematik die seit Jahren aufblüht. Das ist immer noch hochaktuell“, findet Dr. Markus Pfeifer, Lehrer für Biologie und Philosophie, „außerdem ist die Erzählstruktur sehr interessant.“ Widmer liefert seinen Top Dogs nämlich kein universelles Erfolgsrezept um der Arbeitslosigkeit zu entkommen. Stattdessen lässt er sie stets alten Zielen und Idealen hinterher jagen. „Die Charaktere sind sehr unterschiedlich. Jede Rolle bietet Potenzial“, so Pfeifer. In einem Punkt sind die Top-Verdiener aber alle gleich. Sie gaukeln sich selbst eine heile Welt vor. Dabei hat Michael Neuenschwanders (Ahmet Mamati) Porsche 911 kein einziges Mal die Straße berührt, Susanne Wrages (Annalena Sack) Traumurlaub findet im Hotelzimmer statt und Sandy Müllers (Pia van Eickelen) Mann erlitt nach ihrer Entlassung einen Nervenzusammenbruch. Das Stück lässt das Publikum nicht nur schmunzeln, sondern regt zum Nachdenken an.