Vor 20 Jahren entstand der Verein "neues alter", der als Träger der Willi-Michels-Bildungsstätte Raum für Aktivgruppen und moderne Bildungsarbeit bietet
Die Henrichshütte war die Keimzelle. Mit ihrem Niedergang ging dann alles ganz schnell - der Aufbruch zu neuen Ufern, die Umsetzung neuer Ideen, um Menschen nach dem plötzlichen Verlust des Arbeitsplatzes Perspektiven und Tagesinhalt zu bieten. 20 Jahre liegt sie zurück, die Gründung des Vereins "neues alter" durch ehemalige Hütten-Mitarbeiter. Die Einrichtung ist zugleich Ausdruck des tiefen Strukturwandels, den Hattingen mit der Hüttenschließung durchlaufen hat.
In ihrer Blütezeit hatte die Henrichshütte über 10 000 Beschäftigte, prägte nicht nur Welper, sondern die gesamte Stadt. Doch spätestens seit dem großen Beschäftigungsabbau von 1987 - bedingt durch Stilllegung der Hochöfen und der Stahl- und Walzwerke, bei der Tausende den Arbeitsplatz verloren - gehört dies der Vergangenheit an.
Zahlreiche Mitarbeiter schieden über Sozialplan aus. Oft gerade mal 52 oder 55 Jahre alt. Lange vor dem offiziellen Renteneintrittsalter, auf das man sich eigentlich innerlich eingerichtet hatte. "Viele stellten sich nach dem ungeplanten Ausstieg aus dem Erwerbsleben die Frage, wie sie ihre Zeit neu sinnvoll gestalten können", sagt Dieter Wieandt (73), heute Vorsitzender des Vereins "neues alter", damals Stellvertreter an der Seite von Willi Michels. Däumchendrehen ist nicht jedermanns Geschmack. Und in Familien ausgeschiedener Mitarbeiter herrschte nicht selten dicke Luft, als der Mann plötzlich den ganzen Tag zuhause war, ohne sinnvolle Beschäftigung.
Das Schlagwort vom "neuen Alter" machte die Runde. Gemünzt auf Menschen, die bereits mit Mitte 50 aus dem Arbeitsleben ausscheiden, der Rente entgegengehen. 1987 fanden sich ehemalige Belegschaftsmitglieder der Hütte zusammen und gründeten 1988 den Verein "neues alter". Das Ziel: Lebenslanges Lernen als lebendigen Prozess für den Personenkreis der Rentner und derjenigen, die sich in der Phase zwischen Erwerbsarbeit und Ruhestand befinden, zu gestalten. Dazu braucht man auch ein Dach überm Kopf. 1990 wurde die Willi-Michels-Bildungsstätte im Welperaner Wald gebaut, der Trägerverein "neues alter" konnte für das Millionen-Projekt auf Eigenmittel, Spenden sowie Zuschüsse der Krupp-Stiftung und Stiftung Wohlfahrtspflege zurückgreifen.
Eine Anlaufstelle nicht nur für ehemalige Hüttenbeschäftigte, sondern auch für deren Familien. Gruppen entstanden, die bis heute - wenn auch in anderer Besetzung - aktiv sind: eine Fotogruppe, die Werkgruppe fertigt Gegenstände aus Holz, die Frauengruppe betätigt sich (kunst-) handwerklich, die Zeitungsgruppe produziert die "Stimme". Alles offene Angebote für interessierte (Früh-)Rentner.
Wirtschaftliches Standbein der Einrichtung ist die Bildungsarbeit. Moderne Seminar- und Übernachtungsräume bilden den Rahmen für Bildungsurlaubsangebote und Tagungen der Erwachsenenbildung. "Wir haben rund 2200 Teilnehmer jährlich", so Wieandt. Gekürzte Landesmittel hätten die Arbeit allerdings erschwert. Durch Kooperationspartner wie AWO, Gewerkschaft, Kinderschutzbund und Jugendbildungsstätte habe der Träger aber eine solide Basis geschaffen.