Ist es nun ein Popkonzert mit jazzigen Untertönen oder ein Jazzkonzert mit poppigen Höhepunkten? Für den Laien, der zwar zwei ältere CDs von Jamie Cullum besitzt, sich aber aufs genießende Anhören beschränkt hat und nie weitergehend über den Künstler nachgedacht hat, ist das schwer zu sagen. Dass er um Viertel nach acht das weiße Hemd ablegt und ein dunkles T-Shirt mit Rippendruck zum Vorschein kommt – könnte auf Pop hindeuten, oder?
Was jedenfalls auch dem Laien schnell klar wird auf Jamie Cullums Konzert beim Zeltfestival Ruhr: Der Mann kann Klavier spielen! Minutenlang fliegen seine Finger auf scheinbar improvisierten Wegen über die Tasten, Band und Gesang verstummen. Ganz klar ein Jazzkonzert, oder? Jamie Cullum macht das Instrument zum Sportgerät – spielt Teile seiner Stücke im Stehen, dann in halb sitzender, hängender Position, mal steigt er auf den Flügel, mal trommelt er darauf den Rhythmus.
Das Ganze wirkt lässig – zwischendurch entsteht gar der Eindruck, man beobachte den Musiker bei einer Jam-Session. Dann wieder ist er voll beim Publikum, erzählt, wie betrunken er und seine Band beim Zeltfestival vor zwei Jahren waren. Er lobt die deutschen Fußballer – „aber bitte stellt das nicht auf Youtube“ – und läuft singend und tanzend durch den Zuschauerraum, Fotoapparate und Handys werden gezückt, man ist verblüfft über die Nähe. Ganz klar Popkonzert.
Auch seinen Musikern räumt er viel Platz zum Improvisieren ein: Erst liefern sich Trompete und Saxofon, dann Schlagzeug und Kontrabass einen musikalischen Kampf. Er endet: unentschieden. Nur der laienhafte Beobachter ist sich jetzt fast sicher: ein Jazzkonzert.
Cullum spielt neue Stücke aber auch Klassiker, wie etwa „Twentysomething“ (20 und ein paar Kleine). Thirtysomething (30 und ein paar Kleine) ist er mittlerweile, aber wenn er vergnügt grinst, weil das Publikum seinen Aufforderungen zum Hüpfen folgt, wenn sich seine unverkennbare Stimme über den Klang der Instrumente ergießt, nimmt man ihm auch das „twentysomething“ ab. Am Ende fehlt auch das berühmte Rihanna-Cover nicht, und der Besucher ist endlich mit sich selbst eins: Pop, Jazz – egal. Und stimmt zu: „Don’t stop the music“.