Hattingen. Letzte Folge „Hattingen historisch“ von Heimatfreund Gerhard Wojahn. Geschichten von der Straßenbahn, der Kirmes und dem grünen Idyll.

Heimatfreund Gerhard Wojahn schaute sich für seinen letzten Artikel der Serie „Hattingen historisch“ in der heutigen Ausgabe in Blankenstein um, dem malerisch gelegenen Hattinger Stadtteil mit der Burg auf dem „blanken Stein“ sowie dem Gethmannschen Garten.

Marktplatz

Die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahn AG nahm am 12. März 1914 den Betrieb zwischen Hat­tingen und Blankenstein auf und brachte ein halbes Jahrhundert lang viele Besucher in das Ausflugs­städtchen. 1969 verkehrte die Bahn zum letzten Mal.

Ein verwundeter Soldat des 10. Bayerischen Reserve-Regiments sandte eine der ersten Ansichts-Postkarten mit der abgebildeten Straßenbahn aus dem Königlichen Vereins-Lazarett Blankenstein-Ruhr nach Niederbayern. Die Karte trägt den Stempel des Postamts Blankenstein vom 2.7.1915 sowie einen Stempel des Lazaretts.

Die Amtshäuser 1 und 2, ehemaliger Sitz der Amtsverwaltung, entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts. Im rechten Teil wurde im Jahr 1861 das Hotel Wengeler eingerichtet. Jetzt ist die Häuserzeile frisch herausgeputzt und mit dem Stadt-Museum Hattingen belegt. Der Marktplatz hat bei der Neugestaltung ringsherum zwei Stufen erhalten und kann deshalb nicht von Autos befahren werden. Im Vordergrund steht der „Blanke Steyn“.

Pfingstkirmes

Seit dem Jahr 1850 steht in Blankenstein die Pfingstkirmes auf dem Programm. Das traditionelle Volksfest lockte in den vergangenen Jahrzehnten tausende Besucher an. Sie schätzten besonders die Atmo­sphäre von Karussells und Buden der rund vierzig Schausteller vor der historischen Kulisse Blankensteins. Zum Auftakt bietet der Fanfarenzug Rot-Weiß Hattingen flotte Musik, danach eröffnet die Bürgermeisterin Dagmar Goch die Kirmes offiziell. Nun starten die Attraktionen wie Auto-Scooter, Kettenflieger und Kinderfahrgeschäfte. An zahlreichen Buden kann man beim Fädenziehen oder Dosenwerfen sein Glück versuchen und nette Kleinigkeiten, Bälle oder Plüschtiere zur Erinnerung mit nach Hause nehmen. Außerdem ist für die Verpflegung immer gesorgt. Neben manchen süßen Sachen und Eis dürfen Bratwurst mit Pommes natürlich nicht fehlen. Zur Pfingstzeit meint es das Wetter stets gut. Am ersten Kirmestag ist gegen 22 Uhr das große Feuerwerk der krönende Abschluss, es wird von den Schaustellern finanziert.

Irrgarten

Commerzienrat Carl Friedrich Gethmann ließ im Jahr 1808 einen großen Garten anlegen, umgeben vom Wohnbereich Hauptstraße, den Friedhöfen und dem steilen Hang zum Ruhrtal. Am Eingang der Anlage verkündet eine Tafel „Zur Freude und Erholung aller Besucher des Städtchens Blankenstein angelegt“. Der Park, auch als Irrgarten bekannt, steht allen Besuchern kostenlos offen.

Entlang der Irrgarten-Wiese und den vielen bunten Beerensträuchern erreicht man schnell das „Belvedere“ (Schöne Aussicht), den Einheimischen als „Hippentempel“ bekannt. Die kreisförmig angelegte Aussichtsplattform am Rande des Irrgartens bietet dem Besucher einen grandiosen Blick über das Ruhrtal. Man schaut auch hinüber auf den Henkenberg im Ortsteil Bochum-Stiepel mit der bekannten romantischen Dorfkirche. Nach Osten blickt man auf die Ruhr, den Fluss, der dieser ganzen Region den Namen Ruhrgebiet gab, und den Kemnader See.

Weitere markante Punkte sind erwähnenswert und von Bedeutung. Ruhrabwärts steht beispielsweise das Turbinenwerk zur Erzeugung von Elektrizität. Mit dessen Kraft wird das Trinkwasser in die Speicher der benachbarten Stadt Bochum gepumpt.

Als der Fährmann durch einen Gongschlag gerufen wurde

Manche Bürger werden sich gern an den Gasthof Diergardt „Zur Alten Fähre“ erinnern. Die Fähre verkehrte bei Bedarf zwischen dem Stiepeler Ufer und der Blankensteiner Seite. Der Fährmann ließ sich durch einen Gongschlag rufen, war schnell zur Stelle und brachte seine Gäste preisgünstig ans andere Ufer. Interessant sind dort die weiten Auen, die Feuchtwiesen und Brutgebiete, wo sich am frühen Abend hunderte von Vögeln einfinden.

Auf dem Leinpfad am idyllischen Ruhrufer liegt immer noch das mehrere hundert Jahre alte Kopfsteinpflaster, es ist schwer zu begehen. Einst zogen die Pferde die Kohlenkähne zum Rhein. Hier ist heute ein Freizeitparadies mit allen Eigenschaften einer Erholungslandschaft.

Am 31. März 1966 wurden unterdessen die vier Amtsgemeinden Blankenstein, Welper, Buchholz und Holthausen zur Stadt Blankenstein zusammengelegt. Und am 1. Januar 1970 ist die Stadt Blankenstein mit Hattingen kommunalpolitisch vereinigt worden.

Im Zweiten Weltkrieg wurde der von den Feindmächten rings um das Ruhrrevier gebildete Kessel mehr und mehr zusammengedrückt, bis auch Blankenstein kapitulieren musste. So kann das Burgstädtchen den traurigen Ruhm für sich in Anspruch nehmen, am 16. April 1945 den letzten Schuss in diesem mörderischen Kampf um das Ruhrgebiet erlebt zu haben.
(Quellen: Akten des Stadtarchivs Hattingen)