Hattingen. Egon Stratmann ist in Blankenstein geboren, aufgewachsen und bis heute fest verwurzelt. Das hindert den Künstler nicht daran, über den Stadtteil hinaus zu blicken.
Eine gute Kindheit und gute Lehrer. Das sind die ersten Wurzeln, die Egon Stratmann für sein Leben in Blankenstein nennt. Vorbildlich seien nicht nur die künstlerisch interessierten Pädagogen gewesen, die ihm anerkennend auf die Schulter klopften, wenn der kleine Egon als Begrüßung für die Erstklässler mal wieder die große Tafel bemalt hatte. „Die Menschen, zwischen denen ich heranwachsen konnte, haben mir wirklich viel gegeben“, erinnert sich Egon Stratmann. 1936 geboren, ist er seinem Stadtteil treu geblieben. Man glaubt ihm, dass die Menschen ein Magnet dazu waren.
Zunächst ist es die Kriegszeit, die zusammenschweißt. Wachstunden, Vollalarm, ab in den Bunker. Brandbomben zerstören die Apotheke am Markt. Nach dem Krieg – die Blankensteiner Welt entdecken: spielen an der Burg, baden in der Ruhr, spazieren im Gethmannschen Garten. Später: Faszination Hüttenleben. Lodernde Feuer. Da ist Egon Stratmann längst Künstler, fährt nachts auf das Gelände, malt Abstiche. Und ist natürlich dabei, als das Werk später um sein Überleben kämpft. Spontan entsteht das Plakat „Hattingen muss leben“. Das sei in ganz Deutschland zum Zeichen für den Widerstand in Hattingen geworden, erinnert sich Stratmann.
Apropos Zeichen: Einige davon hat der Blankensteiner Maler, Bildhauer und Glaskünstler in seiner Heimatstadt platziert. Den Blanken Stein auf dem Marktplatz vor dem Museum natürlich, die Ausmalung der katholischen Kirche St. Johann im Stadtteil, die Theresia-Albers-Steele in Bredenscheid, das Portal der Kirche Heilig Geist.
Der Blankensteiner ist in Hattingen präsent. Und findet das gut. „Blankensteiner durch und durch zu sein und dennoch wach und interessiert für den Blick darüber hinaus, ist kein Gegensatz“, sagt Egon Stratmann. Das müssten auch Alt-Blankensteiner zur Kenntnis nehmen: „Wir werden immer weniger. Und: Die alte Gemütlichkeit mit sieben Gaststätten plus Café, sie ist vorbei.“ Neues Leben ziehe ein. Und die Blankensteiner sollten glücklich darüber sein, auch wenn der Ortskern manchmal aussieht wie ein riesengroßer Parkplatz. „Gut, dass der Marktplatz mit dem Stadtmuseum und der Burghof noch Ruhezonen sind“, macht der Künstler seinen Blankensteinern Mut.
Bürgergesellschaft und Heimatverein lobt Egon Stratmann für ihre historische Arbeit ausdrücklich. Es gehe aber auch um das Zusammenwachsen mit den Neubürgern und jungen Menschen. Das Stadtmuseum, die beiden Kirchen, die Burg – das Blankensteiner Ensemble sei einmalig, findet Stratmann. Was ihn noch mehr freut: dass die Kirchen inzwischen Hochzeitskirchen sind. „Das ist unsere Zukunft.“
Glasfenster aus Blankenstein sind plötzlich weltpolitisch aktuell
In der vergangenen Woche erst hat Egon Stratmann die Auftragsarbeit erledigt, verpackt und an den Bestimmungsort am Niederrhein verschickt: zwei Fenster für eine denkmalgeschützte Kirche. Fürs Pfingstfenster hat sich die Gemeinde einen Hinweis auf das Sprachenwunder gewünscht – erkennbar durch den Ausruf „Ohne Angst“, geschrieben in vielen Sprachen. Und genau an dieser Stelle bekommt die Arbeit von Egon Stratmann jetzt plötzlich einen aktuellen Bezug zum Weltgeschehen.
Denn „Ohne Angst“ hat der Blankensteiner auf dem Fenster auch in hebräischer und arabischer Sprache eingearbeitet – direkt untereinander. Gestaltet lange vor dem Ausbruch des aktuellen Gaza-Krieges, wirkt das Fenster jetzt umso mehr wie ein Fanal für den Frieden.
Für Egon Stratmann sind die Fenster nicht die erste künstlerische Berührung mit dem Krieg. Noch heute hat er Kontakt zu einer Enkelin der jüdischen Familie Blume, die einst in Blankenstein wohnte und dann von den Nazis verfolgt wurde. Die Mutter wurde ermordet, die Kinder flohen nach Südamerika.
Nach der Zwangsarbeiter-Ausstellung 2003 im Stadtmuseum in Blankenstein brachte Stratmann die Verlegung von „Stolpersteinen“ auch in Hattingen auf den Weg. Er stellte den Kontakt zum Kölner Künstler Gunter Demnig her.