Hattingen. Holger Wosnitza hat das Bauvorhaben Dahlhauser Straße bekämpft, heute freut er sich über die Zuzüge. Noch ein Wandel: Händler gehen, Kunstrasen kommt.

Das „Stehcafé zum Ausruhen und Genießen“ hat nachmittags schon seit längerem nicht mehr geöffnet, aber die Bäckerei Thiele steuert Margot Dröge (66) gerade auch gar nicht an. Die Winz-Baaker Ortsbürgermeisterin, der wir zum Start unseres Stadtteil-Rundgangs auf der ansonsten menschenleeren Dahlhauser Straße begegnen, hat einen Termin bei Ute Eke (69) auf der anderen Straßenseite.

Eke, „die älteste Fußpflegerin der Stadt“, und sie kennen einander schon seit rund drei Jahrzehnten, „wir sind uns zuerst beim Turnen beim TV Hattingen begegnet“. Heute plaudern sie vor allem bei der Pediküre über dies und das und das Neueste im Ortsteil. Oder bei Edeka, „das ist unser Kommunikationszentrum hier“, so Dröge.

Vor Edeka

Bei Edeka treffen wir an diesem verregneten Nachmittag erst auf Helmut Krebs (70), der über den Hundekot auf den Bürgersteigen schimpft, „dagegen könnte die Stadt mal etwas tun“. Und dann auf zwei 13-jährige Jungen. Dass es „gut“ sei, in Winz-Baak zu leben, sagt der eine. Wie die zwei hier ihre Freizeit verbringen? „Wir gehen oft durch die Straßen oder zu Freunden. Und wenn wir niemanden treffen, gehen wir zu Schmidtchens Wiese.“ Zum Kicken. Kommunikation inklusive.

Die Neubauten vis-à-vis

Gepöhlt wird an diesem Regentag auf der Riesen-Wiese neben der Grundschule Oberwinzerfeld nicht; auch im Hause Wosnitza ruht heute der Ball. Holger Wosnitza (53), der bis 2007 zehn Jahre als Initiativkreis-Sprecher für eine offene, aufgelockerte Einfamilienhaus-Bebauung im Baugebiet Dahlhauser Straße West kämpfte, steht auf der Terrasse seines Hauses, die Neubauten vis-à-vis. Das „unprofessionelle Planungsvorgehen“ damals ärgert ihn noch heute; dass Winz-Baak durchs Neubaugebiet „viele neue Familien“ hinzugewonnen habe, freut ihn dagegen. Seine Söhne (17, 14), erzählt Wosnitza, spielen mit den Nachbarjungen aus einem der neuen Häuser häufig Fußball. „Und das Tor tragen sie regelmäßig über unsere Hecke.“ Von einem Grundstück aufs andere.

In der Bäckerei

In der Bäckerei Thiele ist doch jemand anzutreffen – im Büro: Ingrid Thiele (65) und ihr Sohn Markus (43) sagen, dass trotz der vielen Neubürger wochentags nur noch wenige Menschen in ihren Laden kommen, Thieles fahren ihre Backwaren heute in erster Linie mit ihren „Pausenflitzern“ zu den Kunden. Vormittags hat die Winz-Baaker Traditionsbäckerei trotzdem weiter geöffnet – die meisten anderen Geschäfte im Umfeld, sagt Ingrid Thiele, gebe es nicht mehr. Die Drogerie Heinrich hat dicht gemacht, ebenso der Metzger und die Tankstelle Roxlau am heutigen Sparkassen-Standort. Und der Schuster Dittmeier. „Bei dem haben wir uns oft Lederbänder geholt und daraus Peitschen gemacht“, erinnert sich Markus Thiele. „Das ist hier ein richtiges kleines Stadtteilzentrum gewesen“, sagt Ingrid Thiele. Heute sei es „ruhiger geworden“ im Ort.

Am Ascheplatz

Ungewöhnlich ruhig ist es an diesem frühen Abend auch rund um die Sportanlage an der Munscheidstraße neben der früheren Grundschule im Rauendahl, auf der der VfL Winz-Baak und Hedefspor beheimatet sind. Nur Arton (12), den die Nachricht vom Trainingsausfall zu spät erreicht hat, steht im Regen und schaut auf den von Pfützen übersäten Aschenplatz. Nein, heute werden er und seine Fußballfreunde keinen Ball über den Zaun hinweg in die Grünanlagen des benachbarten Schützenvereins kicken (die so nette Schützenbrüder wie Manfred Blaurock, 72, ihnen zum Glück stets zurückbringen). Dann erzählt Arton von seinen Narben, die er sich geholt hat beim Spielen auf Asche. „Gut“, sagt er, „dass wir bald Kunstrasen bekommen.“