Hattingen. Heimatfreund Gerhard Wojahn erinnert sich heute an das Treiben auf dem Untermarkt. Das Alte Rathaus war einst eine Fleischhalle – hier tagte auch das Gericht.
„Der Rückblick auf das Leben vor 70 Jahren soll an Gestern erinnern, um das Heute zu verstehen.“
Die Schautafel „Hattingen historisch“ am Untermarkt erläutert unter anderem: Der wichtigste Tag der Hattinger Marktgeschichte war der 20. Juli 1435, als der Stadt und dem Kirchspiel durch den Landesherrn Herzog Adolf von Cleve-Mark „ein freier Wochenmarkt an jedem Dienstag und freie Jahrmärkte zu vier Zeiten des Jahres verliehen“ wurde. Seither konnten sich die Bürger auf diesem zentralen Platz jeden Dienstag – später auch samstags – mit Obst und Gemüse von einheimischen Bauern und Händlern versorgen.
Schon im Mittelalter bildete der Untermarkt zusammen mit dem Obermarkt das Zentrum des Handels- und Wirtschaftslebens in Hattingen. Durch die Lande ziehende Krämer und Händler aus dem Rheinland kamen mit ihren Pferdefuhrwerken über Nierenhof durch das Balkhauser Tal und erreichten dann hinter dem Bruchtor den Marktplatz.
Seit 1554 gehört Hattingen zur Hanse
Seit dem Jahr 1554 gehört Hattingen dem Bund der Hanse an. Aus jener wirtschaftlichen Blütezeit sind noch viele Fachwerkhäuser unserer Altstadt erhalten geblieben. Das Alte Rathaus war einst eine Fleischhalle, sie wurde im Jahr 1576 von den Bürgern erneuert. Ende des 18. Jahrhunderts hat man die Halle modernisiert und auf einen schmalen Durchgang reduziert.
Von dem „Raithus“ aus leiteten der Bürgermeister und die Ratsherren die Geschicke der mittelalterlichen Stadt. Hier tagte auch das Gericht, gab es Gefängniszellen und einen Versammlungsraum. Vor dem Rathaus steht die Stadtwaage. Bereits im Jahre 1478 wurde Hattingen durch den Grafen von der Mark das Privileg der Stadtwaage und das Recht der Belegung von Steuern erteilt. Anfang des 20. Jahrhunderts als Heimatmuseum genutzt, seit dem Jahr 1993 als Städtische Galerie und Kleinkunstbühne.
Ich erinnere mich an die Markttage ab dem Jahr 1935. Händler und Bauern boten lautstark ihre Waren an. So zum Beispiel Obst und Gemüse am Stand der Geschwister Reckhaus (ansässig am Kirchplatz) und von Willi May (Bruchstraße). Außerdem hatte der Gärtner Fritz Elsche (Nierenhofer Straße) neben den selbst gezüchteten Gemüse-Pflänzchen auch junge Obstbäume in der Auslage. Die Hattinger Eier-Halle (Obermarkt) sowie ein Händler mit seinem Meer von Blumen waren immer dabei.
Überdies fiel ein kleiner Stand in der Marktmitte auf: Der Verkäufer war stets in orientalischer Tracht gekleidet und rief seinen türkischen Honig aus. Die feste süße Masse schabte er mit einem Spachtel von dem großen Honigblock und füllte sie portionsweise in Tütchen aus Pergament. Für zahlreiche Kinder, die sich auf dem Weg zur Schule befanden, war das Angebot verlockend.
Von Salzheringen und Apfelsinenkisten
Unübersehbar waren auch der Fischhändler und seine Frau an der Ecke Untermarkt/Keilstraße. Sie priesen den Marktbesuchern lautstark die grünen und gesalzenen Heringe an zu einem Preis von 3 ½ bis 5 Pfennig das Stück. Die Fische wurden mit einer Zange aus den großen Holzfächern entnommen, man ließ die Lake abtropfen, wickelte die Heringe in mehrere Bogen Zeitungspapier und wünschte den Kunden stets guten Appetit.
Alle drei Monate wurde nicht nur Federvieh angeboten, auch Ziegen, Kälber und Pferde wechselten den Besitzer. Bei Verkaufsschluss war es für uns Kinder eine Freude, die leeren Apfelsinenkisten und Pappkartons einzusammeln. Daheim konnten die Eltern mit dem Brennmaterial jeden Morgen den Küchenherd anheizen.
Die Ladengeschäfte waren eigentlich an allen Wochentagen immer gut besucht, angefangen beim Lebensmittelhändler Krolle, Samenhandel Hülsmann, Schuster Artur Lange, Metzger und Gastwirt Karl Borgmann, Wohlfahrtskonsum, Metzger Max Buchholz, Hattinger Brotzentrale und Elektro Mühlhaus und Schlimme.
Mittelpunkt des Untermarktes ist das Alte Rathaus, ein Schmuckstück und malerisches Wahrzeichen der Stadt Hattingen. Und gleichzeitig ein Schatz der Altstadt in der Kulturhauptstadt Europas. Unsere Stadt hat im Ruhrgebiet nicht nur durch die Industrie das Gesicht der Region geprägt, sondern auch mit den historischen Bildern. Die Gebäude stellen nordrhein-westfälische Geschichte dar.