Hattingen. . Nach dem ersten großen Luftangriff auf Hattingen im Mai 1943 entstand der Luftschutzstollen im Ruhrhang: Er ist auch ein Denkmal der Zwangsarbeit.
Rund 150 Meter geht es durch verwinkelte, kurvige Gänge in den Ruhrhang hinein. Einige Passagen präsentieren sich mit gemauerten Wänden – gegenüber der nur roh behauene Fels. Kinder können hier während der Führungen mutig vorweg toben; Erwachsene müssen sich öfters mal ducken.
Dies war eines der Notquartiere während der Bombennächte des Zweiten Weltkriegs: der Luftschutzstollen der Henrichshütte, angelegt für leitende Angestellte der Hütte und für ihre Familien, die hierher aus der Hüttenstraße (der heutigen August-Bebel-Straße) eilten, wenn die Sirenen heulten.
Schutzsuchende im Keller beteten
Die Sprengungen für den Luftschutzstollen folgten unmittelbar dem ersten großen britischen Luftangriff auf Hattingen, die vor allem der Henrichshütte galten, am 14. Mai 1943. Auch Welper, Hüttenau und Blankenstein wurden ebenso getroffen wie die obere Heggerstraße. Die „Wehrmachtsberichte“ als Quelle nennen für diese Nacht – um 2 Uhr fielen die ersten Bomben – 608 Phosphorbomben, 35 Phosphor-Kautschuk-Kanister, 7000 Stabbrandbomben, die 495 Brände entfachten. 30 Menschen wurden verletzt, drei starben.
Der damals 14-jährige Gerhard Wojahn, Heimatfreund und WAZ-Chronist, überschrieb seinen Beitrag zum 70. Jahrestag dieser Bombardements vor einem Jahr mit „30 schlaflose Nächte“. Die meisten Angriffe aus der Luft galten den nahen Großstädten, galten Duisburg, Essen, Dortmund und Wuppertal.
Der Junge aus dem Altstadt-Quartier Klein Langenberg lief beim nächtlichen Alarm mit den rund 25 Nachbarn aus den Fachwerkhäuschen in den engen Keller des einzigen bruchsteinernen Hauses: „Die Schutzsuchenden im Keller hatten große Angst und beteten“, erinnert sich der heute 85-jährige Gerhard Wojahn.
Unter dem Hang, im Luftschutzstollen am Wasserturm, mag man sich sicherer gefühlt haben, als im Keller eines Altstadt-Hauses. Der für 100 Menschen angelegte (und nicht selten überfüllte) Aufenthaltsraum war bogenförmig ausgebaut, durch zwei Schleusen gesichert. Es gab Belüftungen, Licht, Wasserleitungen und ein Toilette. Hüttenarbeiter aus der Stolbergstraße hatten für sich einen weiteren Trakt gegraben.
Das Foto einer Nikolausfeier im Luftschutzstollen zeigt – rings um den weißbärtigen Heiligen – die Schutzsuchenden dicht an dicht in Mänteln und Hüten auf den Bänken kauernd. Für die Erbauer dieser Zuflucht aber gab es keine Sicherheit: Zwangsarbeiter wie der damals 17-jährige Iwan S. aus der Ukraine wurden zur Strafe zur Arbeit am Stollen kommandiert: „Ich wurde auf der Flucht geschnappt.“ Sein Schicksal war vor elf Jahren das Thema der großen Hattinger Ausstellung zur Zwangsarbeit. Die „Unterwelten“, das Jahresthema aller acht LWL-Industriemuseen, werden erneut den Stollen und seine Geschichte erschließen.