Hattingen. Gunter Demnigs „Denkmale von unten“ sollen beispielhaft an einzelne der 4200 Zwangsarbeiter des Zweiten Weltkriegs in Europas größter Schmiede erinnern. Das LWL-Industriemuseum in Hattingen möchte auch Erinnerungsort sein.

Ein Stolperstein oder einige Stolpersteine vor dem heutigen Besucherportal des LWL-Industriemuseums? Mit diesem Vorschlag wendet sich Robert Laube, der Standortleiter der musealen Henrichs­hütte an Stadtarchivar Thomas Weiß. „Es gab auch hier Menschen jüdischen Glaubens“, sagt Robert Laube, „die ihre Zwangsarbeit hier mit dem Tode bezahlt haben.“

Das LWL-Industriemuseum will auch Erinnerungsort sein. Ein Vorbild für den Museumsleiter ist das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven, das sich ebenfalls für die Stolpersteine – jene zehn mal zehn Zentimeter kleinen Messingtafeln des Kölner Künstlers Gunter Demnig – vor seiner Tür stark macht. Als „Erlebnismuseen“ ähneln sich die Häuser in Hattingen und an der Waterkant.

Stolperstein vor Avantgarde-Hotel liegt seit einigen Jahren

Die Vielzahl der 4500 Zwangsarbeiter auf der Henrichshütte, betont Robert Laube, könnten und sollten einige Stolpersteine „nicht abbilden“. Doch sie könnten auch auf die stilleren Orte des Gedenkens verweisen: Den sogenannten „Russenfriedhof“ mit seinen 151 Gräbern für sowjetische Zwangsarbeiter sieht der Museumsleiter „im Dornröschenschlaf“.

Einen Stolperstein für einen einzelnen Zwangsarbeiter setzte Gunter Demnig bereits vor einigen Jahren in das Pflaster der Welperstraße: Vor dem heutigen Hotel „Avantgarde“, einem einstigen Arbeiter-Wohnheim, erinnert das kleine „Denkmal von unten“ an den niederländischen Kaplan Hubertus Mol. Der 28 Jahre junge Geistliche wurde 1943 nach nur acht Tagen als Zwangsarbeiter auf der Henrichshütte ermordet.

Fast die Hälfte der Belegschaft der Schmiede bestand aus Zwangsarbeitern

In Europas größter Schmiede bestand bis zur Befreiung 1945 fast die Hälfte der Belegschaft aus Zwangsarbeitern. Insgesamt – auch für die Arbeit auf Bauernhöfen, bei der Bahn und in weiteren „kriegswichtigen“ Betrieben – lebten in Dutzenden Lagern des Stadtgebietes mehr als 10 000 Arbeitssklaven des NS-Regimes. Damit war vor 69 Jahren jeder vierte Hattinger ein Zwangsarbeiter.

Insgesamt sind 356 Todesfälle bekannt; eine weit höhere Dunkelziffer liegt nahe – angesichts der Unterernährung der Gefangenen und schlimmer hygienischer Zustände. Ein großer Teil der Verschleppten stammt aus dem Donez-Becken, dem Montan-Revier der heutigen Ukraine. Doch nach dem Sturz Mussolinis 1943 kamen auch viele italienische Gefangene.

Kinder holländischer Zwangsarbeiter zu Besuch in Hattingen

„Vor wenigen Wochen erst“, berichtet Thomas Weiß, „waren erst die Kinder eines holländischen Zwangsarbeiters hier in Hattingen“. Der Archivar verweist auf das vielfältige Engagement seit der großen gemeinsamen Ausstellung zum Thema 2003 im Industrie- und Stadtmuseum: Es gab Einladungen an elf Zwangsarbeiter. Es gibt das digitale Gedenkbuch der Gesamtschüler für den Ehrenfriedhof im Ludwigstal. Auch die Buch-Publikation zur Ausstellung vor elf Jahren ist noch im Hütten-Shop erhältlich – ebenso wie das von Thomas Weiß mit herausgegebene Tagebuch des Zwangsarbeiters Anatolij Pilipenko mit den Zeichnungen von Valerian Lopatto.

„Viel wichtiger“ als Denkmale, meint Thomas Weiß, sei doch, dass auch die kommende „Unterwelten“-Ausstellung in den LWL-Industriemuseen das Thema wieder intensiv aufgreifen wird.