Hattingen. . Ein Drittel der Hattinger Hausärzte ist schon jetzt über 60 Jahre alt. Der Allgemeinmedizin fehlt der Nachwuchs. Zusätzlichen Anreiz könnte eine Änderung des Notfalldienstes schaffen.

Gut ein Drittel der Hattinger Hausärzte ist über 60 Jahre alt. Diese alarmierende Zahl bestätigt auf WAZ-Nachfrage die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen Lippe (KVWL). Heißt: In den nächsten Jahren steuert Hattingen auf eine Unterversorgung zu. Doch „erschreckend wenige Studenten“ lassen sich für die Allgemeinmedizin begeistern, weiß Dr. Olaf Hagen von der Augusta-Stiftung, zu der auch das Evangelische Krankenhaus gehört.

Derzeit sind bei der KVWL 36 Hausärzte für den Bereich Hattingen gemeldet. „Damit liegt die Anzahl momentan sogar deutlich über dem Soll“, erklärt Christopher Schneider, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung. Die geht davon aus, dass ein Hausarzt in Hattingen bis zu 2058 Patienten versorgen muss. Nach aktuellen Einwohnerzahlen wären damit sogar 27 Ärzte ausreichend. Soweit, so beruhigend.

Weniger beruhigend ist das Bild, das sich mit Blick auf die Altersstruktur der niedergelassenen Ärzte ergibt. Denn das zeigt: 13 von 36 Ärzten sind über 60 Jahre alt, noch einmal acht sind Ende 50. Nachfolger werden also in Hattingen dringend gesucht, denn die laut KVWL-Sprecher aktuell „sehr stabile Versorgung“ könnte sich in wenigen Jahren ins Gegenteil verkehren.

Das Problem, dass sowohl KVWL wie auch Dr. Olaf Hagen kennen: Nachfolger zu finden, ist schwierig. „Für viele Studenten ist die Allgemeinmedizin nicht interessant und andere Fachrichtungen nehmen sich oft unglaublich wichtig und sehen Allgemeinmediziner als Pseudo-Doktoren“, bedauert Hagen, der selbst an der Uni Essen unterrichtet. Dabei sei es „total spannend, wie breit gefächert das Wissen als Allgemeinmediziner sein muss“, bricht Hagen eine Lanze für die Allgemeinmedizin.

Um Studenten den Weg zur eigenen Praxis schmackhaft zu machen, wurde 2011 der Ausbildungsverbund Bochum Hattingen gegründet, dessen Koordinator Hagen ist. Dort bekommen Studenten das Komplett-Paket aus einer breit gefächerten Ausbildung im Krankenhaus und einer Vermittlung in Praxen niedergelassener Ärzte. Zusätzlichen Anreiz schafft eine Änderung des Notfalldienstes: „Der Dauerdienst war früher ein Handicap“, erklärt Hagen. Abhilfe schaffen seit 2012 die Notfalldienstpraxen, auch für Hattinger gibt es eine Notfallversorgung, obwohl die Praxis am EvK im Februar schließt. Dr. Olaf Hagen: „Da können Hausärzte auch mit gutem Gewissen Feierabend machen – die Patienten sind versorgt.“ In wenigen Jahren wird Hattingen dringend Ärzte brauchen. Deshalb braucht es schon jetzt Studenten, die sich für die Allgemeinmedizin begeistern lassen.